1610 01 - Der letzte Alchimist
Vorwort des Übersetzers
Es geht um Sex, Grausamkeit und Verzeihen.
Nichts davon ist aus unserem bisherigen Wissen über die Geschichte ersichtlich.
Im Jahre 1687 ist die letzte erhaltene Abschrift der Memoiren von Valentin Raoul Rochefort, dem französischen Ex-Edelmann und professionellen Killer, von einem wütenden Nachfahren ins Feuer geworfen worden.
Obwohl das Manuskript kurz darauf aus den Flammen gerettet worden sein muss, sind viele Seiten so stark verkohlt, dass man sie nicht mehr lesen kann, und die meisten von Rocheforts Worten sind somit für die Nachwelt verloren. Es ist schlicht dem Glück zu verdanken, dass uns noch ein vollständiger Text zur Verfügung steht. Sowohl die verbrannten als auch die unbeschädigten Seiten sind von einem anonymen Retter achtlos in eine Holzkiste geworfen worden, zusammen mit ein paar unbedeutenderen Dokumenten aus jener Zeit.
In der Mitte des neunzehnten Jahrhunderts nahm sich ein französischer Romancier die lesbaren Seiten der Memoiren vor und machte daraus einen populären Roman. Ich nehme an, dass heutzutage die meisten von uns Noblesse D'Epée als Jugendbuchausgabe kennen (oder The Sons of Sword and Hazard /Die Söhne des Schwertes und der Gefahr, wie es der englische Übersetzer genannt hat), und falls nicht, so haben viele sicherlich zumindest eine der unzähligen Verfilmungen des Werkes gesehen. Die reinen Fakten sind wohl bekannt. Der Roman wurde in den sechziger Jahren des neunzehnten Jahrhunderts von Auguste Maquet in Frankreich geschrieben, dem berühmten Mitarbeiter von Alexandre Dumas bei dessen Meisterwerk Die Drei Musketiere. (Später kamen skandalöse Gerüchte auf, dass Maquet tatsächlich der alleinige Autor vieler Dumas-Romane gewesen sei – finanziell hat ihm das jedoch nichts genützt). Wir wissen, dass Maquet in jungen Jahren ein auf den Memoiren basierendes Volksbuch gelesen hat; die Namen der Protagonisten verwendete in der Folge für Nebencharaktere in den Abrissen, die er für Dumas geschrieben hat.
Maquet ignorierte jedoch die seltsamsten und beunruhigendsten Textpassagen – schlicht, weil man sie damals nicht hat lesen können: die Theorien über eine Verschwörung der Rosenkreuzer im frühen siebzehnten Jahrhundert sowie eine Form der Futurologie, die Nostradamus wie einen Amateur aussehen lässt.
Die Memoiren selbst verschwanden in der Obskurität. Als Maquet später sein Noblesse D'Epée geschrieben hat, bezichtigte man ihn ironischerweise, einen schlechten Abklatsch von Dumas verfasst zu haben. Das ist vermutlich auch der Grund dafür, warum der Roman in Frankreich nie zu einem Erfolg geworden und – gemeinsam mit seinem Verfasser – so gut wie unbekannt geblieben ist. In England ist Maquet jedoch von Stanley J. Weyman übersetzt worden, der selbst ein renommierter Autor historischer Romane war, und The Sons of Sword and Hazard wurden augenblicklich zu einem Erfolg. Edward Rose adaptierte den Roman vor dem Ersten Weltkrieg für die Bühne, und nicht lange nach Kriegsende folgte eine Stummfilmversion des Stoffes. Tatsächlich war dieser erste Film mit Conrad Veidt als Rochefort und Fritz Leiber Sr. als Duc de Sully ein fast ebenso großer Erfolg wie das Buch (das 1906 bereits in die 20. Auflage ging). Weitere Filme folgten das ganze zwanzigste Jahrhundert hindurch. Mein persönlicher Liebling ist Richard Lesters Version aus den frühen siebziger Jahren, da sie sehr schön die offenherzige Extravaganz des Originals einfängt, auch wenn der Plot dann doch ein wenig durcheinander gerät.
Ich sollte nun etwas Persönliches sagen. Ich habe The Sons of Sword and Hazard immer geliebt. Ich liebe Weymans Buch, und ich liebe all die herrlichen Kostümfilmversionen bis hin zu dem Vehikel für Leonardo di Caprio, das letztens aus der Geschichte gemacht wurde. (Auch wenn ich mir keinen Unpassenderen für die Rolle des Rochefort vorstellen kann. Die sich gegenwärtig in Arbeit befindende Verfilmung mit Russell Crowe und Angelina Jolie verspricht, sich in dieser Hinsicht enger an das Original zu halten.)
Und im Frühjahr 1986 habe ich erstmals entdeckt, dass der Protagonist von The Sons of Sword and Hazard (es mutet seltsam an, ihn einen ›Helden‹ zu nennen) eine reale, historische Persönlichkeit war.
Es ist durchaus möglich, dass weder Maquet noch Weyman sich dessen bewusst gewesen sind.
Das ist keineswegs so unglaublich, wie es klingen mag. Ein offensichtliches Beispiel dafür ist Alexandre Dumas, der die Handlung und die
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