1640 - Griff nach Arkon
Geräusche hatten weiter entfernte Quellen.
Die Hanse-Spezialistin riskierte es, ihre kleine Handlampe einzuschalten. Der gelbe Lichtkegel strich über ein chaotisches Gewirr vielfarbiger Kabelstränge, die den Abgrund begrenzten, in den Dilja gefallen war. Weiter unten schien es eine große, sehr massiv wirkende Stahlplatte zu geben.
Und schräg vor und über der Oxtornerin endeten die Kabelstränge in einem zerfetzten Wirrwarr. Dort kam es auch zu den Entladungen.
Dilja dachte scharf nach.
Die Kabelstränge gehörten nicht zur Erstausstattung des Walzenraumers. Sie waren provisorisch installiert worden, nachdem die CHAL-NEZRA in der zweiten Toten Zone gestrandet war.
Was die Springer damit hatten bezwecken wollen, konnte Dilja nur vermuten. Das Ergebnis hatte jedenfalls nicht ihren Erwartungen entsprochen. Darum waren die oberen Kabelenden aus ihren Anschlußstellen herausgerissen worden und einfach so verblieben. Man mußte eine bessere Alternative gefunden haben.
Und hatte den schätzungsweise 120 Meter tiefen und 5 Meter durchmessenden Kabeltunnel vergessen.
Eine Chance, vielleicht nur ein Hauch einer Chance, aber besser als gar nichts!
Dilja Mowak schaltete am Gravopak. Sie sank langsam tiefer.
Nach etwa zwei Minuten berührten ihre Füße die massive Stahlplatte.
In diesem Augenblick brach das Zischen und Dröhnen ab, mit dem sich die Springer bis zu Diljas Unterschlupf vorgearbeitet hatten. Etwa fünf Sekunden lang war es totenstill, dann schrien mehrere Stimmen durcheinander.
Die Oxtornerin wußte, was geschehen war. Die Springer hatten sich nicht allein auf psychologische Zermürbungstaktik verlassen. Ein Trupp von ihnen war mit Desintegratoren vorgestoßen. Ihre schwachen Geräusche waren im Lärm der Strahlwaffen und Explosionen untergegangen.
Jetzt befanden sie sich im Schlupfwinkel und hatten das Nest leer vorgefunden. Es konnte nicht lange dauern, bis sie entdeckten, auf welchem Weg ihr Opfer sich abgesetzt hatte.
So schnell wie möglich, aber nicht in panischer Hast, ließ Dilja den Lichtkegel ihrer Lampe über die Platte wandern.
Sie atmete auf, als sie einen gewölbten Lukendeckel sah. Ohne sich Gedanken darüber zu machen, was darunter lag, drehte sie mit aller Kraft an dem Handrad, das für Notfälle neben dem Lukendeckel angebracht war.
Auf einen Versuch, die syntrongesteuerte Öffnungsautomatik zu aktivieren, verzichtet sie von vornherein. Die Umgebung sah nicht so aus, als ob die Springer hier positronische Ersatzelemente installiert hätten.
Als die Luke aufschwang, griffen von oben zwei gleißend helle Scheinwerferkegel nach der Oxtornerin. Eine wütende Stimme ertönte.
Dilja ließ sich durch die Öffnung fallen, landete auf einer Stahlleiter und griff sofort in das innen angebrachte Handrad.
Draußen krachte die Entladung eines Strahlschusses auf die Stahlplatte. Dilja kurbelte unentwegt weiter.
Nur ein winziger Spalt war noch offen, da entlud sich eine Strahlbahn direkt neben dem Lukendeckel. Glutflüssige Schmelze spritzte durch den Spalt. Im nächsten Moment rastete der Deckel in die Magnetdichtungen ein, die einen hermetischen Abschluß garantierten.
Dilja drückte den Sicherungshebel hoch, der die Handradmechanik sperrte. Erst dann sah sie sich ihre Hände an.
An fünf Stellen war die Haut von der Schmelze verkohlt worden. Dilja atmete auf. Ein Terraner hätte jetzt nur noch verbrannte Fleischklumpen statt Händen besessen. „Glück gehabt", stellte sie fest.
Die Verbrennungen würden in wenigen Wochen abgeheilt sein.
Zum erstenmal, seit sie hier hereingefallen war, sah sie sich um.
Und erkannte, daß sie sich im Geschützstand einer Transformkanone befand. Die wuchtige Waffe hockte gleich einem Ungeheuer aus fremder Dimension in dem kuppelförmigen Raum.
Dilja atmete tief durch.
Sie hatte eine Gnadenfrist gewonnen. Zwar konnte sie mit der Transformkanone absolut nichts anfangen. In einer Toten Zone funktionierten diese 5-D-Waffen selbstverständlich nicht. Aber sie war für mindestens eine Stunde sicher, denn die Wandungen eines Transform-Geschützstands wurden immer noch aus dickwandigem, molekülverdichtetem Stahlplastik gefertigt. Für den zwar unwahrscheinlichen, aber nicht ganz auszuschließenden Fall, daß die Kontrolle sowohl von der Hauptzentrale als auch von der Feuerleitzentrale ausgefallen war und Mitglieder der Schiffsbesatzung das Geschütz manuell bedienen mußten.
Ihr Problem war nur, wie sie diese Gnadenfrist optimal nutzte.
Es hätte wenig
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