1645 - Blutsturm
konnte nach vorn schauen. Alles andere interessierte sie nicht.
Erneut musste sie den Mann anheben, was wiederum federleicht aussah.
Ein paar Sekunden später hatte sie den leblosen Körper über Bord geschleudert und gesehen, wie er von den Wellen regelrecht verschluckt worden war.
Erst jetzt war sie richtig zufrieden, und mit diesem Gefühl wollte sie ihre Fahrt fortsetzen.
Sie löste die Rudersperre, drehte den Schlüssel und setzte die Fahrt zur Insel fort. Der Umriss der Insel war zwar noch zu sehen, aber sie musste feststellen, dass sie doch leicht abgetrieben war. Eine Kursänderung war nötig, dann gab es keine Probleme mehr, das Ziel anzusteuern.
Erneut sprühte die Gischt über das Boot. Wieder arbeiteten die Wischer.
Hinter der Scheibe stand eine Person, deren Mund zu einem Grinsen verzogen war. Ein gutes Gefühl erfüllte Justine, und es hinterließ ein kaltes Funkeln in den Augen.
Zufriedener als sie konnte kaum jemand sein. Ihr zweiter Besuch auf der Insel würde anders aussehen als der erste. Das stand fest.
Sie wollte Dracula II. Sie wollte seine endgültige Vernichtung. Wenn sie das geschafft hatte, dann stand ihr die Welt offen, und sie würde auch ihre Spuren hinterlassen.
Das Boot kämpfte sich näher an die Insel heran. Trotz der schlechten Sicht entdeckte Justine die tückischen Felsen, die normalerweise aus dem Wasser hervorschauten, bei diesem Wellengang aber ständig überspült wurden.
Justine musste jetzt höllisch aufpassen. Sie schaffte es, die Felsen zu umrunden, und nahm jetzt den direkten Weg zur Insel. Das Eiland lag zum Greifen nahe, so kam es ihr zumindest vor, aber es dauerte noch eine Weile, bis sie die Stelle erreichte hatte, an der sie an Land gehen konnte.
Der Ort war ihr bekannt. Es war zwar kein Hafen, aber schon eine Stelle, an der sie das Boot anlegen konnte, ohne die starken Wellen zu spüren.
Noch mal gab sie Gas. Das Boot schoss vor und rutschte wenig später über den hier sandigen Grund, bevor es mit dem Bug festsaß und auch von den zurücklaufenden Wellen nicht mehr ins Meer geholt werden konnte. Dem Propeller war nichts passiert, und Justine konnte das Boot normal verlassen.
Ihre Füße sanken in den nassen Sand ein. Sie winkelte die Arme an, stemmte die Hände in die Hüften und gönnte sich einen ersten Überblick.
Viel war nicht zu sehen. Die kleinen Tropfen bildeten einen Vorhang aus Wasser, in dem es keine Lücke gab.
Dennoch erkannte sie etwas.
Es waren die beiden Leichen der Halbvampire, die sie selbst zu verantworten hatte. Dem Mann hatte sie den Kopf abgeschnitten, der Frau das Herz aus dem Körper gerissen.
Sie war fast zufrieden. Aber der Hass auf Mallmann war in ihr nicht geringer geworden. Sie war davon überzeugt, Dracula II hier auf der Insel finden zu können.
»Ich komme, Mallmann«, flüsterte sie. »Und diesmal wirst du nicht der Sieger sein. Das verspreche ich dir…«
Justine war davon überzeugt, dass sich ihr Erzfeind hierher zurückgezogen hatte, aber auch eine Vampirin konnten irren, denn Mallmann hielt sich ganz woanders auf…
***
Sheila Conolly hatte sich hinter dem Schrank im tiefen Winkel versteckt und von dort aus mit John Sinclair telefoniert, um ihm ihre Situation zu erklären. Jetzt konnte sie nur hoffen, dass er so schnell wie möglich bei ihr war.
Leider konnte John nicht fliegen, und so richtete sich Sheila auf eine längere Wartezeit ein.
Allein im Haus war sie nicht. Bill, ihr Mann, war nach unten in den Keller gelaufen, um einen Gegenstand zu holen, den man durchaus als eine ultimative Waffe bezeichnen konnte.
Es war die Goldene Pistole, die eine Ladung verschoss, die niemanden und nichts verschonte, weil dieses Zeug alles radikal vernichtete.
Und Bill war nicht ohne Grund gelaufen, um die Pistole zu holen, denn in ihrem Garten lauerte das absolute Verderben. Derjenige, der die Conollys leer trinken wollte und nur deshalb erschienen war.
Sheila zitterte am ganzen Leib, als sie sich bewegte und so hinstellte, dass sie um die Schrankecke schauen konnte und dabei einen Blick durch das breite Fenster in den Garten warf.
Er war immer noch da!
Sheila hatte damit gerechnet, und trotzdem erschrak sie tief, denn die Gestalt in der dunklen Kleidung und mit dem blutigen D auf der Stirn war näher gekommen. Will Mallmann stand jetzt direkt vor dem Fenster.
Hätte er die Zunge aus dem Mund gestreckt, er hätte sogar über die Scheibe lecken können.
Das tat er nicht. Dafür hatte er seine Hände gespreizt und
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