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1648 - Die Spiegelgeborenen

Titel: 1648 - Die Spiegelgeborenen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Unbekannt
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Wo sonst hast du ein ganzes Heer liebevoller Hebammen zur persönlichen Betreuung verfügbar?"
    Saira war gerührt und brachte es einfach nicht über sich, der Zwotterfrau diesen Herzenswunsch auszuschlagen. Darum beschloß sie, trotz aller Bedenken auf Zwottertracht zu bleiben. Aber bereits am nächsten Tag mußte sie schon wieder bereuen, wankelmütig geworden zu sein.
    Leemira war an diesem Tag wie ausgewechselt. Sie wirkte zerstreut und benahm sich linkisch. Plötzlich kehrte sie auch noch die Sektiererin hervor. Ihr derbes Gesicht begann sich auf einmal zu erhellen, als sei ihr eine heilige Eingebung zuteil geworden. Sie nahm Saira bei den Händen und sprach mit entrückter Stimme: „Du kannst dich glücklich schätzen, unseren gemeinsamen Freund körperlich kontaktiert zu haben. Es ist etwas ganz Besonderes, daß er dich als Mutter seiner Kinder auserkoren hat."
    „Unsinn!" fuhr Saira die Zwotterfrau an.
    Leemira aber schüttelte bedächtig und bestimmt ihren großen Kopf. „Sag nur das nicht, Saira. Ich sehe es ganz anders. Und ich sehe, daß du durch diese Mutterschaft erhoben worden bist. Und auch Keemila hat deine Zukunft in einem besonderen Schein gesehen. Glaube uns, denn dein Morgen erstrahlt im Licht des Gesandten einer überragenden Geistesmacht. Deine Zwillinge werden ... sie würden... was sie seien ..."
    Leemira verlor den Faden und stotterte nur noch belangloses Zeug, bis sie völlig verstummte und sich Saira durch ungelenke Handzeichen verständlich zu machen versuchte. Leemira befand sich im Wechsel zu Leemin.
    Alle Seherinnen aus Keemilas Kreis traten an diesem Tag geschlossen in die Mannphase ein.
    Saira hatte damit alle ihre fürsorglichen Hebammen verloren und war bis zuletzt nur noch von einfältigen Zwottermännern umgeben.
    Es war in dieser Zeit, daß ihr Gedanken über den Tod als Erlösung kamen. Ihr erschien alles wie ein endloser Alptraum, ohne Chance, in eine bessere Realität entfliehen zu können.
    Aber es kam schlimmer.
    Am 22. Januar 1171 tauchte Leemin mit den anderen männlichen Zwottern auf und versuchte vergeblich, Saira irgend etwas durch Handzeichen zu erklären. Die lallenden Zwotter wickelten sie kurzerhand in mehrere Lagen von Tüchern und trugen sie fort. Draußen tobte gerade ein Sandsturm. Darum war Saira froh, als sie nach dem langen Transport durch diese Hölle auf einmal Stille und Dunkelheit umfingen.
    Und dann drang eine vertraute Stimme zu ihr. „Ich bin wieder zurückgekommen, Saira. Denn nun ist es bald soweit. Die große Stunde naht.
    Fürchte dich nicht. Du bist in diesen Höhlen bestens aufgehoben. Meine Schwestern werden sich um dich kümmern, wenn es soweit ist. Ich werde dich jetzt wieder verlassen, um jenen Gesandten zu empfangen, von dem Leemira dir erzählt hat."
    „Geh nicht, Keemila!" schrie Saira verzweifelt. Aber ihre Schreie verhallten unbeantwortet in dem finsteren Höhlensystem.
     
    *
     
    Alles Flehen und Betteln, sie aus der Finsternis an einen freundlicheren Ort zu bringen, wo sie ihre Zwillinge zur Welt bringen könnte, half nichts.
    Die Zwotterfrauen waren unerbittlich. Sie legten ihren nackten Körper auf ein hartes Lager und banden ihre gestreckten Arme und Beine fest. Ihre Stellung ließ sich lediglich mitsamt der harten Unterlage verändern, von der totalen Waagrechten bis zur Senkrechten. Manchmal kippten die Zwotterfrauen das Gestell um, so daß Saira einen Kopfstand vollführte und ihr das Blut ins Gesicht schoß. „Wir wissen, was wir tun", antworteten die Zwotterfrauen auf ihre Beschwerden. „Wir wissen, was das Beste für dich und deine Zwillinge ist, Saira."
    „Gibt es hier kein Licht?"
    „Noch nicht", antwortete Leemira. „Aber nicht mehr lange, dann wird der erlösende Strahl dich erfassen."
    Die Zwotterfrauen salbten und massierten sie, damit sie nicht wundlag und ihr Körper nicht erschlaffen konnte. Das tat zwar gut, aber es war kein Ersatz für ihren Bewegungsdrang.
    Saira weinte und schrie. Sie wollte mit erstickter Stimme wissen, warum die Zwotterfrauen sie derart quälten. Was hatte sie getan, womit hatte sie diese Folter verdient?
    Saira bekam keine vernünftigen Antworten. Leemira und die anderen beteuerten lediglich, daß sie ihr nichts Böses antun wollten und dies alles nur zum Besten ihrer Zwillinge geschehe.
    Saira verlor in der Dunkelheit jeglichen Zeitbegriff, und die Zwotterfrauen waren nicht gewillt, ihr Auskunft über die verstrichene Zeit oder das Datum zu geben. Sie versicherten ihr lediglich,

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