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Mein Leben

Mein Leben

Titel: Mein Leben
Autoren: Eric Clapton
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Schon als kleiner Junge von sechs oder sieben Jahren beschlich mich das Gefühl, dass an mir irgendwas anders war. Vielleicht lag es daran, wie die Leute über mich sprachen, als ob ich gar nicht dabei wäre. Meine Familie lebte in einem kleinen Haus in Ripley in Surrey direkt neben der Dorfwiese. Es gehörte zu einer Reihe ehemaliger Armenhäuser und hatte vier Zimmer: zwei winzige Schlafzimmer im ersten Stock sowie ein kleines Wohnzimmer und eine Küche im Erdgeschoss. Die Toilette befand sich in einem Wellblechschuppen im Garten, eine Badewanne gab es gar nicht, nur einen großen Zinkzuber, der an der Gartentür hing. Ich kann mich nicht daran erinnern, je darin gebadet zu haben.
    Zweimal die Woche füllte meine Mum eine kleinere Blechwanne mit Wasser und schrubbte mich ab, und sonntagnachmittags badete ich immer bei Tante Audrey, der Schwester meines Vaters, die in einer der neuen Wohnungen an der Hauptstraße wohnte. Ich lebte zusammen mit Mum und Dad, die ein großes Schlafzimmer mit Blick auf die Dorfwiese hatten, sowie Mums Bruder Adrian, der in einem der Zimmer nach hinten hinaus wohnte. Ich schlief auf einem Feldbett, manchmal bei meinen Eltern, manchmal auch unten im Erdgeschoss, je nachdem, wer gerade bei uns übernachtete. Es gab keinen Strom, und die Gaslampen zischten unentwegt. Rückblickend finde ich es unglaublich, wie ganze Familien in diesen winzigen Häusern leben konnten.
    Meine Mum hatte sechs Schwestern: Nell, Elsie, Renie, Flossie, Cath und Phyllis, sowie zwei Brüder, Joe und Jack. Sonntags war es nicht ungewöhnlich, dass zwei oder drei von ihnen samt Anhang zu uns kamen, tratschten und sich gegenseitig auf den neusten Stand der familiären Ereignisse brachten. Weil das Haus so klein war, wurden diese Gespräche immer in meiner Gegenwart geführt, und die Schwestern tuschelten miteinander, als wäre ich gar nicht da. Es war ein Haus voller Geheimnisse. Aber indem ich ihre Gespräche aufmerksam belauschte, reimte ich mir nach und nach zusammen, was eigentlich los war, und begriff, dass die Geheimnisse meistens mit mir zu tun hatten. Als ich eines Tages eine meiner Tanten fragen hörte: »Hast du etwas von seiner Mum gehört?«, dämmerte es mir, dass mein Onkel Adrian mich einmal nicht nur aus Spaß einen kleinen Bastard genannt hatte.
    Das volle Ausmaß dieser Erkenntnis war ziemlich traumatisch für mich, denn zur Zeit meiner Geburt im März 1945 war eine uneheliche Herkunft noch ein gewaltiges gesellschaftliches Stigma – obwohl es, nachdem eine so große Zahl ausländischer Soldaten und Flieger durch England gekommen waren, viele uneheliche Kinder gab. Dies galt über alle Klassengrenzen hinweg, war jedoch bei Arbeiterfamilien wie unserer, die in kleinen Dorfgemeinschaften lebten und den Luxus von Privatsphäre kaum kannten, besonders ausgeprägt. Deswegen war ich, was meine Stellung in der Familie betraf, schwer verunsichert, und obwohl ich sie von Herzen liebte, hatte ich sie doch im Verdacht, dass ihnen meine Existenz in einem Dorf wie Ripley peinlich sein könnte und sie sich immer wieder erklären müssten.
    Meine Mum und mein Dad, Rose und Jack Clapp, waren, wie ich schließlich herausfand, in Wahrheit meine Großeltern, Adrian war ihr Sohn und tatsächlich mein Onkel und Roses Tochter aus erster Ehe, Patricia, meine leibliche Mutter, die mir den Namen Clapton vererbt hatte. Mitte der 1920er Jahre hatte Rose Mitchell, wie sie mit Mädchennamen hieß, Reginald Cecil Clapton, genannt Rex, schneidig, fesch, Oxford-Absolvent und Sohn eines Offiziers der indischen Armee, kennen und lieben gelernt. Im Februar 1927 hatten die beiden gegen den ausdrücklichen Willen seiner Eltern geheiratet, die der Ansicht waren, dass Rex unterhalb seines Standes heiratete. Die Hochzeit wurde wenige Wochen nach der Geburt von Roses erstem Kind, meinem Onkel Adrian, gefeiert. Die Familie ließ sich in Woking nieder, doch die Ehe war leider nur von kurzer Dauer, weil Rex 1932 drei Jahre nach der Geburt ihres zweiten Kindes Patricia an Schwindsucht starb.
    Sein Tod brach Rose das Herz. Sie kehrte nach Ripley zurück und heiratete erst zehn Jahre später ein zweites Mal, nachdem ihr Jack Clapp, ein Stuckateurmeister, lange den Hof gemacht hatte. Die Hochzeit fand 1942 statt, und Jack, der wegen einer schweren Beinverletzung in seiner Kindheit vom Militärdienst befreit war, fand sich fortan in der Rolle des Stiefvaters für Adrian und Patricia wieder. 1944 wurde Ripley wie viele andere Städte im Süden
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