1660 - Die Todesengel von Hangay
gekleideten Diplomaten. Sie hatte das Gefühl, von seinen Blicken ständig durchbohrt zu werden, auch wenn er sie nicht direkt ansah. Sie hatte vom ersten Moment eine tiefe Abneigung gegen diesen Hauri gefaßt, die auf Gegenseitigkeit zu beruhen schien, denn Zarron pak Druyn machte keinen Hehl daraus, daß er für Galaktiker nicht viel übrig hatte.
Die lautlos auftretenden Scholaren servierten Urkhiitu in großen Schüsseln mit Schöpfern als breiigen, grünen Eintopf, in dem große Stücke irgendwelcher Beilagen eingelegt waren. Dazu stellten sie vor jeden der Gäste einen Zweiliterkrug mit Poona hin. Nia beneidete beim Anblick dieses unansehnlichen Gerichts Julian um seinen SERUN, dessen System ihn nahrungsunabhängig machte. Aber als sie sah, daß ihr Gefährte sich einen vollen Schöpfer Urkhiitu auf den Teller lud und mit Appetit zu essen begann, folgte sie seinem Beispiel. „Das ist echtes Urkhiitu, nicht synthetisches Zeug, wie man es überall sonst serviert bekommt", erzählte ihr Telar Brody zwischen den Bissen. „Es ist eine auch für Terraner überaus nahrhafte Speise."
„Ja, während wir hier von Girratus Gabentisch schlemmen, muß das Volk der Hauri darben", mischte sich Zarron pak Druyn ein, der die leise gesprochenen Worte offenbar aufgeschnappt hatte. Er sah dabei Nia aus seinen dunklen, tief in den Höhlen seines Totenschädels liegenden Augen durchbohrend an. „Anstatt diese Völlerei zu betreiben und gefälligen Smalltalk zu führen, sollten wir uns der Nöte der Völker von Hangay besinnen und diese ungeschminkt erörtern. Das Galaktikum könnte alles Urkhiitu haben, das die Kollektoren hergeben, wenn sich seine Gesandten ehrlich für jene Belange einsetzten, derentwegen sie nach Hangay gekommen sind."
„Wir stehen erst am Beginn unserer Mission", entgegnete Nia. „Aber du kannst meine Portion ohne weiteres einpacken und für gute Zwecke verwenden."
„Laß dich von diesem Jüngelchen nicht provozieren, Galaktikerin", sagte der Hauri, der neben Telar saß; er war betagt und schien nur aus Haut und Knochen zu bestehen. „Er ist ein Ingkoom, der gegen den schwindenden Einfluß seines Imperiums anzukämpfen versucht. Wenn er vom Wohlergehen der Hauri spricht, dann meint er in Wirklichkeit nur das unbedeutende Häufchen seines Clans."
„Hüte deine Zunge, Ckalmas!" rief Chalid pak Lyiv von Nias anderer Seite über den Tisch. „Vergiß nicht, daß auch ich ein Ingkoom bin. Obgleich ich nicht Zarrons extremistischer Partei angehöre, verbiete ich mir solche herabwürdigenden Pauschalurteile."
Damit war der gemütliche Teil der Konferenz beendet. Nun mischten sich auch andere Delegierte ein, und im Nu war eine hitzige Diskussion entbrannt, bei der sich die Vertreter der verschiedenen Hauri-Völker gegenseitig aller möglichen Vergehen und Unterlassungen, das Gesamtwohl der Hauri betreffend, beschuldigten. Letztlich beruhigten sich die Gemüter wieder, als die Streitenden in Zarron pak Druyn einen Sündenbock fanden, gegen den sie alle Stellung beziehen konnten. „Es sind solche Aufrührer wie er", sagte Chalid pak Lyiv zu Julian Tifflor und deutete dabei auf Zarron pak Druyn, „die für Uneinigkeit in unserem Volk sorgen. Wie sollen wir uns dann mit den Kartanin, mit den Karaponiden und den Sashoy verständigen können? Ich kann da nur auf dich bauen, Julian Tifflor, und hoffen, daß du dich von diesem Wirrkopf nicht beirren läßt und gerecht urteilst." Er richtete seine Augen zornig auf sein Gegenüber und sagte leidenschaftlich: „Du bist eine Schande für unser Volk, Zarron.
Man sollte dir verbieten, den Namen des Priesterberges, auf dem du geboren wurdest, zu tragen. Du bist diese Ehre nicht wert."
„Ich könnte auf eine solch zweifelhafte Ehre auch gerne verzichten", erwiderte der Angesprochene spöttisch. „Ich tausche sie gerne gegen eine volksnähere Regierung ein."
Jetzt hat er schon zwei Tauschhändel für das Wohlergehen seines Volkes getätigt - wie selbstlos, dachte Nia. Aber das nahm sie nicht mehr für den Hauri ein, sondern machte sie nur noch mißtrauischer.
Während die Streitereien allmählich abflauten, bemerkte Nia, wie unter dem Tisch irgend etwas gereicht wurde. Die Hauri taten dabei sehr unbeteiligt, und gelegentlich schob sich der eine oder andere hastig etwas in den Mund und ließ es verklärt auf der Zunge zergehen. Bevor sie Telar noch fragen konnte, tauchten die Kopfflügel eines Venno in ihrem Gesichtskreis auf. Gleich darauf erschien vor ihr eine
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