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1662 - Welt ohne Schatten

Titel: 1662 - Welt ohne Schatten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Unbekannt
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Es ist auch nicht so wie am terranischen Nordpol zum Zeitpunkt der Mitternachtssonne, denn der Himmel verdunkelt sich dort sichtbar, die Sonne wird bedeutend schwächer. Hier aber bleibt die Sonne auf zwölf Uhr mittags stehen, und wir haben bisher keinerlei Hinweis darauf finden können, weshalb das so ist."
    „Die Owigos können sich wohl an keine andere Zeit erinnern."
    „Nein. Für sie war diese Welt schon immer so. Manches haben sie sich in Legenden bewahrt, anderes im Verlauf der Jahrtausende einfach gemäß ihrer natürlichen Verhaltensweise verdrängt. Sie haben sich uns gegenüber offen verhalten, inzwischen kann man sogar schon fast von einem freundschaftlichen Verhältnis sprechen, aber sie sind nicht besonders neugierig. Sie beherrschen ihre Schmiedekunst bis zu einer gewissen Perfektion, sind aber nicht daran interessiert, Neues dazuzulernen. Sie betrachten wohl unsere merkwürdigen Meßgeräte und Ausrüstungen, der eine oder andere stellt mal die Frage, wozu man was benutzt, gibt sich aber mit der Antwort völlig zufrieden, ob er sie nun versteht oder nicht."
    „Waren sie eigentlich sehr über euer plötzliches Auftauchen überrascht?"
    „Nein, sie nahmen es einfach hin. Sie wundern sich über nahezu nichts, genausowenig, wie sie Hintergründe erfahren wollen. Sie leben in einem gleichmütigen Fatalismus: Probleme an sich kennen sie auch nicht. Sie kennen keinen richtigen Überlebenskampf, sondern spielen jeden Tag verträumt vor sich hin, ob sie nun ihre Felder bearbeiten, schmieden, handeln oder Recht sprechen."
    „Gibt es soziale Auseinandersetzungen?"
    „Ja, hin und wieder schon: Eifersüchteleien, Neid und all das, aber nicht so eskalierend, wie wir es aus unserer Vergangenheit kennen.
    Manchmal kommt es zwar bis zu einem Kampf zwischen einem Schamanen und einem Adepten, der seinen Platz einnehmen will, aber die Erregung ist immer nur kurz, und hinterher denkt keiner mehr darüber nach, egal, wer gewonnen hat oder vom Häuptling ernannt wurde. Das einzig Widersprüchliche zu alldem sind diese merkwürdigen, plötzlich auftretenden Rasereien, von denen ich dir schon berichtet habe. Ich habe mich darüber ausführlich mit einem Medizinmann unterhalten, bei dem ich einen Stein im Brett zu haben scheine, konnte aber trotzdem nicht herausfinden, wodurch dieses Verhalten ausgelöst wird."
    „Du hast gesagt, daß sie Zwitter sind. Gibt es bei ihnen trotzdem so etwas wie persönliche Bindungen?"
    „Sicher. Aber auch nicht so, wie wir sie kennen. Die Zeugung von Nachkommen beispielsweise ist bei ihnen kein Trieb, um die Art zu erhalten, sondern ein religiöses Ritual, das in bestimmten Perioden und in der Öffentlichkeit, unter Anleitung des Medizinmanns, stattfindet. Dabei wird der Nachwuchs manchmal selbst, manchmal mit einem Partner erzeugt - je nachdem, ob sie sich als eher >männlich<, eher >weiblich< oder >dual< ansehen -, und dabei entscheidet sich auch oft, welchen Rang der zukünftige Nachwuchs einnehmen wird. Sehr kompliziert das Ganze, und sie waren auch nicht sehr gesprächig, was das betrifft."
    „Das sind wir ja in dieser Hinsicht auch nicht, wenn man's genau nimmt."
    Michael lachte. „Komm, wenn du möchtest, besichtigen wir jetzt die Stadt."
    „Die Stadt?"
    „Ganz recht. Diese Siedlung hier beherbergt eine beträchtliche Anzahl verschiedener Stämme, deren Häuptlinge den sogenannten Gesamtrat bilden, unter dem Vorsitz des ältesten und wohl weisesten aller Häuptlinge. In dieser Stadt gibt es Märkte, Waffen-, Schmuck- und Werkzeugschmieden, okkulte Läden, Wahrsager, religiöse Tempel und vieles andere. Du wirst's ja sehen."
    Die Stadt bestand aus einer Unzahl lehmartiger Pueblos und Erdhütten, die am Fuß eines Gebirges in eine steile Felswand eingepaßt worden waren.
    Manche Pueblos waren mehrstöckig errichtet worden, wobei jeder Bau eine eigene Einheit bildete. Der jeweils darüberliegende Bau stand auf Pfählen und war von außen über Treppen erreichbar.
    In der Stadt herrschte lebhaftes Treiben, und Bull staunte nicht schlecht über die zum Teil mächtigen Quaderwesen, die ganz anders wirkten als ihre plumpen Artgenossen auf Owigo 3, schon allein vom Aussehen her. Manche von ihnen grüßten Michael freundlich, wenn sie vorbeigingen, und er grüßte ebenso höflich zurück. „Sie unterscheiden uns anhand der Kleidung, genauso wie wir sie aufgrund des unterschiedlichen Schmucks auseinanderhalten. Ohne das würde jeder für den anderen völlig gleich aussehen", erklärte

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