1665 - In der Totenstadt
intensiver traf.
»Sollen wir wieder verschwinden?«, flüsterte Shirley. »Ich - ich - fühle mich hier wie eine Gefangene.«
»Und wo willst du hin?« Jenny schüttelte den Kopf. »Wer weiß, was uns draußen erwartet, hier aber sind…«
Ein Schrei unterbrach sie!
Keine von ihnen hatte ihn ausgestoßen, aber sie wussten genau, wo er aufgeklungen war. Hinter der Tür. Und es hatte auch keine Frau geschrien.
»Mein Gott, das war dieser Mann!«, hauchte Shirley.
Sie erhielt keine Antwort. Wie angewurzelt standen die Frauen auf ihren Plätzen. In ihren Köpfen ging einiges vor. Niemand traute sich, einen Anfang zu machen. Wer so schrie, der befand sich in Todesgefahr.
Jenny Mason war es, die schließlich den Anfang machte. Sie nickte, als wollte sie das bestätigen, was ihr durch den Kopf ging. Außerdem dachte sie daran, dass sie Fuller nicht im Stich lassen konnten, und so fragte sie ihre Mitstreiterinnen erst gar nicht. Sie drehte sich zur Seite, um nach der Türklinke zu fassen.
Eve zuckte, als wollte sie die Frau zurückhalten, überlegte es sich dann anders und bewegte sich leicht zurück.
Jenny Mason öffnete die Tür.
Es war schrecklich, und sie zuckte zurück. Allerdings nicht vor dem, was sie sah, es war der Geruch, der ihnen förmlich entgegen schwappte und ihnen den Atem raubte. Der widerliche Gestank war so nah, dass sie einfach davon ausgehen mussten, dass sich in ihrer unmittelbaren Nähe der Leichenfresser befand.
Zu sehen war er nicht. Zwar malte sich der Umriss eines Fensters ab, mehr war nicht zu erkennen. Und die schwache Helligkeit aus dem Flur brachte auch nicht viel. Jenny Mason hätte jetzt die Gelegenheit gehabt, sich zurückzuziehen. Sie tat es nicht, denn sie wollte wissen, was geschehen war, und dazu musste sie über ihren eigenen Schatten springen. Es kümmerte sie nicht, was Eve und Shirley taten, sie trat auf die Schwelle zum Duschraum, sie hörte auch die schrecklichen Geräusche, hielt den Atem an und bewegte ihre Hand an der rechten Wand entlang, um einen Schalter zu finden. Hier musste es Licht geben.
Sie fand ihn. Er ließ sich herumdrehen, was Jenny auch tat. Sie hörte das klickende Geräusch, unter der Decke wurde es hell, und das Licht breitete sich in der Umgebung aus.
Vor ihr lag der recht große Duschraum mit den Kabinen an der rechten Seite. Dafür hatte sie keinen Blick, und sie ging auch keinen Schritt weiter, denn was sie sah, als sie nach vorn schaute, war schrecklich und zugleich unglaublich. Jenny stand da, presste die Hand gegen den Mund und konnte nicht glauben, was da passiert war…
***
Harold Fuller war einen Schritt zu weit nach vorn gegangen. Er hatte nicht sehen können, dass der Boden vor ihm aufgerissen worden war und einen Trichter bildete. So war Fuller an einer der glatten Schrägen in die Tiefe gerutscht und dort einem grausamen Feind in die Hände gefallen. Nein, es war nicht nur eines dieser stinkenden Monster, er hatte es mit zweien zu tun, und Jenny sah zum ersten Mal, wie sie wirklich aussahen, denn diesmal trugen sie keine Kleidung.
Es waren zwei unförmige Körper, die so dicht beieinander lagen, dass sie wie eine Masse wirkten.
Sie befanden sich in einer ständigen Bewegung. Oder war es nur der feste Schleim, der nicht zur Ruhe kommen konnte? Jenny wusste es nicht, und sie fing hin und wieder den Blick der Augen auf, die wie Billardkugeln aussahen, die jemand in die Masse hineingedrückt hatte. Man konnte von einer grünlichen Farbe sprechen. Aber sie war nicht so dick, sondern auf eine gewisse Weise sogar leicht durchsichtig, sodass Adernstränge zu sehen waren, die sich durch den Schleim zogen.
Aufgedunsen, unförmig und massig wirkten die Körper. Dennoch wuchsen auf ihnen Köpfe, in denen besonders die Mäuler auffielen, deren kleine Sägezähne an die Beißer von Piranhas erinnerten, die alles Lebende fraßen, was ihnen zu nahe kam. Und dann sah sie Fuller!
Jenny hatte nicht daran gedacht, dass es einen Anblick gab, der sie noch mehr erschrecken konnte. Das war jetzt so. Fuller hatte keine Chance. Wie sie erkannte, steckte er genau zwischen den beiden Monstern. Sie wunderte sich darüber, dass er noch lebte, denn etwas bewegte sich in seinem Gesicht. Jenny sah dies deutlich, weil sein Kopf noch aus der Schleimmasse hervorschaute.
Er hatte den Mund nicht geschlossen. Die Lippen-bewegten sich hektisch und zittrig. Er hatte seine Augen in wilder Panik verdreht und wurde von den beiden Ghouls immer stärker
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