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Italienische Novellen, Band 3

Italienische Novellen, Band 3

Titel: Italienische Novellen, Band 3 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Verschiedene Autoren
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Antonio Francesco Grazzini
1503 – 1584

Der Alchemist
    In den Historien von Pisa steht geschrieben, daß vor alters Guglielmo Grimaldi, ein von einer Partei aus Genua vertriebener junger Mensch, sich daselbst niederließ. Er hatte wenig Geld mitgebracht, mietete sich ein Häuschen und lebte sparsam, indem er anfing auf Wucher zu leihen. Da er durch dies Gewerbe bei wenig Ausgaben viel verdiente, ward er in kurzem wohlhabend und im Verlaufe der Zeit außerordentlich reich, obgleich immer begieriger, reicher zu sein. So war er alt geworden und hatte Tausende aufgehäuft, während er aus Geiz immerdar allein und in seiner anfänglichen engen Wohnung blieb. Da er niemandem traute, hütete er seine Schätze selbst mit der äußersten Wachsamkeit und hing so völlig mit seiner Seele daran, daß er keinen Skudo gegeben hätte, um einem Menschen das Leben zu retten.
    Wie nun jedermann in Pisa Guglielmo, dieses Lebens und Wandels halb, haßte und beneidete, ward er dereinst, nachdem er mit Freunden auswärts zu Abend gespeist hatte, in tiefer, stockfinsterer Nacht beim Nachhausegehen, ob aus böser Absicht oder verkannt, angefallen und mit einem Dolchstoße über der linken Brust verwundet. Der arme Teufel ergriff in dem Augenblicke die Flucht, als die dunklen Wetterwolken sich entluden und aus ihrem Schoße ein schwerer Platzregen niederfiel. Nachdem er etwa auf Armbrustschußweite gelaufen und schon ganz durchnäßt war, sah er die Tür eines Hauses offen stehen, in dem ein großes Feuer loderte. Er trat hinein. Das Haus bewohnte ein gewisser Fazio, der seines Handwerks eigentlich ein Goldschmied war, seit einiger Zeit sich aber der Alchemie ergeben und ihr schon ein gut Teil seiner Habe aufgeopfert hatte im Bemühen, aus Blei und Zinn feines Silber zu verfertigen. Auch diese Nacht hatte er ein gewaltiges Feuer angeschürt und gab sich mit Schmelzen ab, ließ aber die Haustür wegen der Hitze des Feuers und der Jahreszeit offen stehen. Beim Geräusch des Eintretenden wandte er sich rasch um und sprach, da er ihn sogleich erkannte: »Je, Guglielmo! Was machst du zu dieser Stunde bei dem gräßlichen Wetter hier?«
    »O weh!« krächzte Guglielmo, »mir ist schlecht. Ich ward angefallen und verwundet, ich weiß nicht von wem und warum.« Er sprach die Worte, ließ sich zum Sitzen nieder und schied aus diesem Leben in einem Augenblicke.
    Die letzte fernere Turmuhr der Stadt hatte eben die mitternächtliche Stunde angeschlagen, und die Glockentöne bebten, wellenartig vom Winde gepeitscht, durch die Stille der Finsternis. Verwundert, den fremden Mann umfallen zu sehen, und über die Maßen bestürzt, stand Fazio da; doch besann er sich, knöpfte ihm das Wams über Brust und Magen los, bemühte sich, ihn aufzurichten, und rief ihm »Guglielmo!« zu, in der Meinung, es müsse ihn eine Ohnmacht angewandelt sein. Aber da er ihn kein Glied regen sah und fühlte, daß er weder atmete, noch sein Puls mehr schlug, dann auch die Wunde in der Brust fand, aus der schlimmerweise so viel als gar kein Blut geflossen war, überzeugte er sich von Guglielmos schon erfolgtem Tode. Außer sich vor Entsetzen, rannte er dem Eingange zu, um die Nachbarschaft zu rufen; denn der Zufall wollte, daß er sich allein zu Hause befand, weil seine Frau mit seinen zwei kleinen fünfjährigen Zwillingsknaben zu ihrem todkranken Vater gegangen war. Aber wie er den Regen auf das Pflaster prasseln und den Donner hörte, auf der ganzen Straße keinen Menschen sah, der Heilmittel herbeizuschaffen vermocht hätte, und zweifeln mußte, daß man seine Stimme vernehme, stand er an und änderte seinen Entschluß. Er kehrte in das Haus um, schloß es hinter sich ab und riß vor allen Dingen die Geldtasche des Toten auf, um zu sehen, wieviel darinnen sei. Er fand vier Lire und, unter vielem alten wertlosen Plunder, ein großes Bund Schlüssel vor, das wahrscheinlich, wie er meinte, den Zugang zu den Türen, Kisten und Kasten in dem Hause Guglielmos öffnete, dessen Reichtum, besonders an barem Gelde, stadtkundig war. Mit wüsten Gedanken beschäftigt, verschmitzt und klug von Natur, fuhr es ihm wie der Blitz durch den Sinn, seinem Leben mit einem Male einen höheren Schwung zu verleihen. Er sagte zu sich selbst: »Ja, warum gehe ich mit den Schlüsseln nicht auf der Stelle nach seinem Hause, wo, wie ich gewiß bin, keine Menschenseele ist? Wer hindert es, wenn ich sein Geld nehmen und leise, leise hierher in mein Haus tragen will? Zu meinem guten Glücke regnet es, und

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