17 - Im Schatten des Grossherrn 06 - Der Schut
wahrscheinlich die von uns Gesuchten gewesen. Aus der bereits abgestumpften Schärfe der Ränder an den Hufeindrücken entnahm ich, daß diese Leute vor ungefähr sieben Stunden hier vorübergekommen seien.
Bei einer solchen Schätzung hat man sehr vieles zu berücksichtigen: die Witterung, die Art des Bodens, ob er hart oder weich, sandig oder lehmig ist, ob er kahl liegt oder mit Pflanzen bewachsen, vielleicht dünn mit Laub bedeckt ist. Auch auf die Luftbewegung und die Tageswärme hat man Obacht zu geben, da die Sonne oder scharfe Luft die Spuren schnell austrocknet, so daß die Ränder eher bröckeln, als wenn es kalt und windstill ist. Der Ungeübte kann bei einer solchen Beurteilung sehr leicht ein höchst irriges Resultat erzielen.
Nun ritten wir auf dieser Fährte fort. Nach einiger Zeit ging der Wald zu Ende, und wir kamen wieder auf freies Land. Eine Art von Weg kreuzte hierauf unsere Richtung, und wir sahen, daß die Fährte da nach rechts abbog, um diesem Pfad zu folgen. Ich blieb also halten und zog mein Fernrohr hervor, um nachzuforschen, ob ich vielleicht einen Ort, einen Gegenstand, ein Gehöft zum Beispiel, finden könne, um dessen willen die Reiter hier abgebogen seien. Ich konnte aber nichts dergleichen sehen.
„Was tun wir, Sihdi?“ fragte Halef. „Wir können nun auf der Fährte bleiben, und wir können Israd weiter folgen.“
„Ich entschließe mich für das letztere“, antwortete ich. „Diese Leute sind doch nur für kurze Zeit abgewichen und werden später sicher wieder herüberlenken. Wir wissen, wohin sie wollen, und werden uns beeilen, dort auch anzukommen. Vorwärts also, wie bisher!“
Ich wollte mein Pferd in Bewegung setzen, doch Israd sagte:
„Vielleicht ist es doch geraten, ihnen zu folgen, Effendi. Da drüben rechts zieht sich ein breiter Grund hin, was wir von hier aus nicht sehen können. In demselben liegt ein kleiner Köjlüstan (Bauernhof), in welchem die Männer, denen wir folgen, vielleicht eingekehrt sind.“
„Was können wir dort erfahren? Sie werden sich nicht lange dort verweilt, sondern nur um einen Trunk Wasser oder um einen Bissen Brot gebeten haben. Keinesfalls ist anzunehmen, daß sie gegen die dort wohnenden Leute sehr mitteilsam gewesen sind. Reiten wir weiter!“
Aber schon nach kurzer Zeit wurde ich anderer Meinung. Die Spuren kamen von rechts her zurück, und nach einem nur oberflächlichen Blick bemerkte ich, daß sie ziemlich neu waren. Ich stieg also abermals ab, um sie sorgfältig zu prüfen. Ich fand, daß sie kaum zwei Stunden alt waren. Die Reiter hatten sich also gegen fünf Stunden lang in dem erwähnten Bauernhof aufgehalten. Die Ursache davon mußte ich erfahren. Wir gaben also den Pferden die Sporen und bogen nach rechts ein, um das Haus aufzusuchen.
Es lag gar nicht weit entfernt. Wir erreichten sehr bald die Stelle, wo sich die Fläche abwärts nach einem Tal senkte, welches ein Bach durchfloß. Es gab da unten saftige Weide und schöne Äcker. Dennoch machte das Haus den Eindruck der Ärmlichkeit. Der bereits erwähnte Weg führte zu demselben hinab.
Wir sahen einen Mann vor der Tür stehen. Als er uns erblickte, verschwand er im Haus und zog die Tür hinter sich zu.
„Effendi, es scheint, daß dieser Bauer nichts von uns wissen will“, meinte Osco.
„Er wird schon mit sich sprechen lassen. Ich vermute, daß er scheu geworden ist, weil unsere guten Freunde schlecht mit ihm umgesprungen sind, wie es ja ihre Gewohnheit ist. Kennst du ihn vielleicht, Israd?“
„Gesehen habe ich ihn, aber seinen Namen weiß ich nicht“, antwortete der Gefragte. „Ob er aber mich kennt, das weiß ich nicht, da ich noch nicht bei ihm gewesen bin.“
Als wir vor der Tür anlangten, fanden wir dieselbe verschlossen. Wir klopften an, erhielten aber keine Antwort. Nun ritt ich nach der hinteren Seite des Hauses, auch da war eine Tür, aber gleichfalls verriegelt.
Als wir nun stärker klopften und laut riefen, wurde einer der Läden, welche auch zugezogen waren, aufgestoßen, und der Lauf eines Gewehres kam zum Vorschein. Dabei rief eine Stimme:
„Packt euch fort, ihr Strolche! Wenn ihr nicht aufhört zu lärmen, so schieße ich!“
„Nur langsam, langsam, mein Lieber“, erwiderte ich, indem ich so nahe an den Laden heranritt, daß ich den Lauf der Flinte hätte ergreifen können. „Wir sind keine Strolche, wir kommen in keiner unfreundlichen Absicht.“
„Das sagten die anderen auch. Ich öffne meine Tür keinem Unbekannten
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