17 Tante Dimity und die Dorfhexe Dorfhexe (Aunt Dimity and the Village Witch)
in der Luft, und ich witterte ihn wie ein Wolf ein rohes Steak. Auch wenn es ein Jammer war, die Enthüllung von Mrs Thistles materiellen Gütern zu verpassen, so wäre es nicht minder ärgerlich, mir diesen pikanten Leckerbissen aus der Gerüchteküche entgehen zu lassen. Im Gegenteil. Ich zögerte nur ganz kurz, dann packte ich meine Jacke, legte ein paar Münzen zu denen von Grant und rannte aus der Teestube, indem ich hinter ihnen herrief: » Wartet auf mich!«
Bree Pym, Mrs Sciaparelli, Annie Hodge, Mr Barlow, George Wetherhead, Christine Peacock, Sally Pyne, Henry Cook und die emsigen Mägde verfolgten aufmerksam, wie ich hinter Grant und Charles über den Dorfanger jagte. Selbst als ich sie schon eingeholt hatte, musste ich fast rennen, um mit ihren langen Schritten mithalten zu können, so zielstrebig steuerten sie auf das Crabtree Cottage zu. Als ich hinter ihnen in die Diele trat, war ich völlig außer Atem und brachte keinen Ton heraus. Aber Charles’ Stimme hatte nichts von ihrer Kraft eingebüßt, als er die Tür zuschlug und zu mir herumwirbelte.
» Diese Frau«, sagte er grollend, » ist nicht Amelia Thistle!«
2
Schrilles, hohes Gebell bestürmte unsere Ohren, während Goya und Matisse in die Diele geflitzt kamen, um herauszufinden, wer die Haustür so laut zugeschlagen hatte. Während ich keuchend an der Wand lehnte, um wieder zu Atem zu kommen, hob Charles seinen goldfarbenen Zwergspitz auf den Arm und Grant beugte sich hinab, um seinen überdrehten Malteser zu beruhigen. Charles und Grant mochten das Crabtree Cottage zwar besitzen, aber ihre freundlichen kleinen Hunde beherrschten es.
» Wovon redest du da, Charles?«, fragte ich, nachdem sich das Gebell wieder gelegt hatte. » Ich habe selbst mit der Immobilienmaklerin gesprochen. Sie sagte mir, die Frau, die Pussywillows gekauft hat, heißt Mrs Amelia Thistle.«
» Die Immobilienmaklerin wurde getäuscht«, sagte Charles trocken. » Und ich kann es beweisen.«
Er setzte Goya sanft auf den Boden zurück und ging voraus in das zum Dorfanger hin gelegene Zimmer, einen sonnigen, schlicht möblierten Raum, der als Büro diente. Goya und Matisse sprangen glücklich um uns herum, hin und wieder kurz innehaltend, um an unseren Schuhen zu schnüffeln, während Grant benommen auf einen der hochlehnigen Holzstühle sank, die für Kunden bereitstanden. Ich stellte mich mit dem Rücken an das Erkerfenster und dankte innerlich meinem Glücksstern, dass ich meinem Bauchgefühl gefolgt und hinter den beiden Männern hergerannt war. Denn gleich, dessen war ich mir sicher, würde ich etwas äußerst Interessantes über unsere neue Dorfbewohnerin erfahren.
Charles nahm einen dicken Ordner aus einem Aktenschrank, hievte ihn auf seinen Schreibtisch und begann den Inhalt durchzublättern.
» Wie du weißt, Lori«, sagte er, » restauriert Grant Kunstgegenstände, während ich mich als Kunstschätzer betätige. Wir sind selbst keine Künstler, aber Kunst ist unser Leben.«
» Wir essen, trinken und atmen sie«, sagte Grant und nickte feierlich.
» Wir lesen nicht nur die einschlägige Literatur«, fuhr Charles fort, » sondern besuchen Vernissagen, Ausstellungen, Auktionen, Verkaufsveranstaltungen, Privatbesichtigungen…«
Ich fiel ihm ins Wort. » Ich weiß, ich weiß. Ihr zwei saust ständig nach London, um die Werke der neuesten Genies zu sehen.«
» Grant und ich besuchen auch Ausstellungen von Künstlern, die sich bereits einen Namen gemacht haben«, entgegnete Charles, » und wir werfen nie etwas weg.« Er zog drei bunte Broschüren aus dem Ordner und breitete sie auf dem Schreibtisch aus. » Diese Broschüren haben wir von drei verschiedenen Einzelausstellungen einer sehr namhaften Künstlerin mitgenommen.« Er legte den Ordner zur Seite und forderte mich mit einer ausladenden, theatralischen Armbewegung auf, an den Schreibtisch zu treten. » Du bist herzlich eingeladen, dir unsere Beweisstücke anzusehen.«
Ich folgte seiner Aufforderung, starrte auf die Broschüren und las die Titel der Ausstellungen laut vor: »› Mae Bowen: Diener der Natur‹, › Mae Bowen: Nicotiana bei Mondschein‹, › Mae Bowen: Die verlorene Lichtung‹.« Ich sah Charles fragend an. » Das verstehe ich nicht. Was hat Mae Bowen mit Amelia Thistle zu tun?«
Er drehte alle drei Broschüren um und schenkte mir ein triumphierendes Lächeln. Wieder sah ich auf die Prospekte hinab und erblickte drei identische Schwarzweißfotos einer Frau, die das absolute Ebenbild der
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