170 - Hüte den Speer - Magiure, Margo
und Marcus war sich sicher, dass er von einer Horde wilder Krieger, die ein kleines Bauernhaus bewachten, gehört hätte.
Aber wer war sie?
Sie trug ein schlichtes, doch fein gewebtes, wollenes Gewand, das dunkelgrün gefärbt war, und ihr schwarzes, seidiges Haar fiel ihr lang über den Rücken. Sie bewegte sich gewandt, mit Anmut und Zielstrebigkeit, als sie ihre sanften, heilkundigen Hände auf die Wunde seines jungen Vetters legte. Sie sprach mit weicher Stimme zu Adam, in einem seltsamen melodischen Akzent, obwohl kaum anzunehmen war, dass der Junge überhaupt etwas hören konnte.
Die Frau besaß die Haltung und das Aussehen einer Königin, und doch war sie hier, an diesem Ort – in einer kleinen Kate, die wenig besser war als eine alte Bauernstallung. Marcus fühlte sich genauso gehemmt und unsicher, wie er sich stets in Anwesenheit einer edlen Dame fühlte.
„Mylord“, sagte in diesem Augenblick der bärtige alte Mann, der immer noch auf seinem Lager ruhte.
Marcus wandte sich der Stimme zu, und als er zu dem Mann ging, fiel ihm auf, dass dieser ihm immer noch zunickte. Erst jetzt begriff er, dass der Greis nahezu blind war.
„Ihr müsst meiner Nichte erlauben, das zu tun, was sie für das Beste hält.“ Seine Stimme hatte einen noch fremdartigeren Klang als die der jungen Frau. „Denn Ihr könntet keinen besseren Heilkundigen auf englischem oder irischem Boden finden als Keelin O’Shea.“
„Sie ist Eure Nichte?“, fragte Marcus, dem nun etwas wohler zumute war, da er nicht mehr so dicht neben der schönen Frau stand. Er atmete tief durch, als er zusah, wie sie unbeirrt fortfuhr, die Wunde an Adams Rücken zu nähen.
„Ja, sie ist Keelin O’Shea von Kerry“, erwiderte der Alte. „Und ich bin ihr Onkel, Tiarnan O’Shea, Euch zu Diensten. Zumindest, wenn ich wieder auf meinen Füßen stehe.“
„Kerry … ist das … eine irische Grafschaft?“, fragte Marcus, aber er hörte kaum auf die Antwort. Versonnen fuhr er sich durch das schweißnasse Haar, da er sich in diesem Augenblick schmerzhaft bewusst machte, dass draußen vor der Hütte sein toter Vater lag, sein Leichnam dürftig von einem Umhang bedeckt, umringt von seinen Getreuen, die die Totenwache hielten.
Marcus war taub vor Trauer und Zorn. Noch verdrängte er den Gedanken daran, welche Pflichten von nun an auf ihn, den jungen Grafen, warteten. Vermochte er, die Ritter von Wrexton zu befehligen und den toten Vater und die gefallenen Gefährten nach Hause zu bringen, in geweihte Erde? Was wurde aus Adam? Es war offensichtlich, dass der Junge nicht reisefähig war, aber er konnte ihn auch nicht bei Fremden zurücklassen.
„Kerry ist eher ein Landstrich , mein Junge“, antwortete Tiarnan, dem die Bestürzung des jungen Edlen entging. „Eine wilde und prächtige Gegend in Munster im Südwesten von Irland, mit vielen Seen und felsigen Hügelketten.“
Marcus antwortete nicht, denn er hing immer noch seinen Gedanken nach.
Der alte Mann deutete sein Schweigen als Besorgnis um den verletzten Jungen und die Wundbehandlung durch Keelin. „Wahrlich, Ihr könnt ihr vertrauen, mein Junge“, sagte er. „Sie hat die Gabe zu heilen.“
„Ich kann nur beten, dass Ihr recht behaltet“, entgegnete Marcus, als er sich von dem Greis abwandte und nach draußen ging. Seine Getreuen Roger und Edward blieben in der Hütte. Er vertraute den beiden Männern und wusste, dass sie augenblicklich zu ihm kämen, sobald die Lage des Jungen sich verschlechterte.
Er sah zum Himmel hinauf, atmete tief durch und fragte sich, warum dieser schöne Tag derart schnell zerstört worden war durch die hässliche Fratze des Todes.
Lange war es her, dass Marcus in die Schlacht gezogen war. Vor fünf Jahren war er aus den Kämpfen auf französischem Boden nach Hause zurückgekehrt und fand seine Mutter im Sterben. Nach ihrem Tod war er in Wrexton bei seinem Vater geblieben und nie wieder nach Frankreich zurückgekehrt.
Wrexton lag mit niemandem im Krieg. Der Feldzug in Frankreich hatte wenig Auswirkungen auf das Geschehen im äußersten Westen Englands. Es gab keine Grenzstreitigkeiten oder Gefechte mit Rittern der umliegenden Burgen. Er und sein Vater Eldred hatten dafür gesorgt, dass ein gutes Einvernehmen zwischen Wrexton und den Walisern bestand, deren Land an die Grafschaft Wrexton grenzte. Zu keiner Zeit hatte man in den vergangenen Jahren damit rechnen müssen, in einen Hinterhalt fremder Ritter zu geraten.
Ritter? Wenn man die Schurken überhaupt so
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