Tagebuch eines Vampirs 7 - Schwarze Mitternacht
KAPITEL EINS
Liebes Tagebuch,
ich habe solche Angst, dass ich kaum den Stift halten
kann. Ich schreibe in Druckschrift statt in Schreibschrift,
um überhaupt etwas Leserliches zu Papier zu bringen.
Wovor ich mich fürchte, fragst du? Und wenn ich dir sage:
»Vor Damon«, glaubst du mir die Antwort nicht, nicht
wenn du uns beide noch vor einigen Tagen gesehen hast.
Aber um das zu verstehen, musst du wohl einiges wissen.
Hast du jemals von dem Sprichwort gehört: »Al e Wetten
sind gestrichen?«
Es bedeutet, dass alles, wirklich al es möglich ist. Sodass
selbst jemand, der für gewöhnlich jede Wette eingeht und
die Chancen einschätzen kann, seinen Wettpartnern ihr
Geld zurückgibt. Weil ein Joker ins Spiel gekommen ist.
Und der macht es schlicht unmöglich, die Chancen so
weit zu überschlagen, dass man eine Wette eingehen
könnte.
In diesem Zustand befinde ich mich jetzt. Das ist der
Grund, warum mir das Herz bis zum Hals schlägt und die
Angst mir im Kopf, in den Ohren und in den Fingerspitzen
pulsiert.
Al e Wetten sind gestrichen. Al es ist jetzt möglich.
Du kannst sehen, wie zittrig selbst meine
Druckbuchstaben sind. Angenommen, meine Hände
zittern so wie jetzt, wenn ich zu ihm gehe? Ich könnte das
Tablett fallen lassen. Ich könnte Damon verärgern. Und
dann wäre al es möglich.
Aber ich merke schon, meine Erklärung taugt nicht viel.
Was ich sagen wollte, ist, dass wir wieder da sind: Damon
und Meredith und Bonnie und ich. Wir waren in der
Dunklen Dimension, und jetzt sind wir wieder zu Hause,
mit einer Sternenkugel – und Stefano.
Stefano, der nur durch eine gemeine List an diesen
schrecklichen Ort gekommen war. Durch das
Versprechen von Shinichi und Misao – , dem Kitsune-
Geschwisterpaar, den bösen Fuchsgeistern – die ihm
gesagt hatten, in der Dunklen Dimension könne er den
Fluch, ein Vampir zu sein, ablegen und wieder ein
Mensch werden.
Sie haben gelogen.
In Wirklichkeit haben sie ihn in einem stinkenden
Gefängnis sich selbst überlassen, ohne Nahrung, ohne
Licht, ohne Wärme … bis er an der Schwelle des Todes
stand.
Aber Damon – der damals so anders war – erklärte sich
bereit, uns bei der Suche nach Stefano anzuführen. Ach,
die Dunkle Dimension kann ich nicht einmal ansatzweise
beschreiben. Aber es kommt ja vor allem darauf an: Wir
fanden Stefano! Und zuvor hatten wir bereits die
doppelten Fuchsschlüssel gefunden und in unseren
Besitz gebracht, jene Schlüssel, die wir brauchten, um ihn
freizulassen. Aber – er war nur noch ein Skelett, der arme
Kerl. Wir haben ihn auf seiner Pritsche – die Matt später
verbrannt hat, weil sie vor Ungeziefer nur so wimmelte –
aus dem Gefängnis getragen. Und als wir endlich wieder
bei Mrs Flowers zu Hause waren, habe ich ihn gebadet
und zu Bett gebracht … und dann haben wir ihm zu
trinken gegeben. Ja, von unserem Blut. Alle Menschen
aus unserer kleinen Schar haben es getan, bis auf Mrs
Flowers, die damit besch?ftigt war, ihm Breiumschl?ge f?r
die Stellen zu machen, an denen ihm beinahe die armen
Knochen aus der Haut stachen.
Sie haben ihn so verhungern lassen! Ich könnte sie
eigenhändig umbringen – oder mit meinen Flügeln der
Macht, wenn ich sie nur richtig benutzen könnte. Aber ich
kann es nicht. Ich weiß, es gibt eine Beschwörungsformel
für die Flügel der Zerstörung, aber ich habe keine Ahnung,
wie sie lautet.
Aber wenigstens durfte ich erleben, wie Stefano aufblühte,
als er mit menschlichem Blut genährt wurde. (Ich gebe zu,
dass ich ihm einige Extraportionen gegeben habe, die
nicht auf seiner Speisekarte standen. Aber ich müsste
eine komplette Vollidiotin sein, um nicht genau zu wissen,
wie sich mein Blut von dem der anderen unterscheidet –
es ist viel gehaltvoller, und es hat Stefano unendlich
gutgetan.)
Und so hat Stefano sich hinreichend erholt, dass er am
nächsten Tag al ein nach unten gehen konnte, um Mrs
Flowers für ihre Medizin zu danken!
Doch wir Übrigen – das heißt, alle Menschen – waren
vollkommen erschöpft. Niemand verschwendete auch nur
einen Gedanken daran, was wohl aus dem Blumenstrauß
geworden war, denn wir wussten nicht, dass es etwas
Besonderes damit auf sich hatte. Wir hatten ihn kurz vor
unserem Verlassen der Dunklen Dimension von einem
freundlichen weißen Kitsune bekommen, der in der Zelle
gegenüber von Stefano eingekerkert gewesen war, bis wir
den Gefängnisausbruch arrangierten. Er war so schön!
Weitere Kostenlose Bücher