1700 - Hüter der Apokalypse
Anführer haben.«
»Kennen Sie ihn?«
»Nein, dann wäre alles viel leichter. Ich weiß nur, dass sich die Personen des Öfteren im Grenzgebiet zwischen Frankreich und Spanien aufhalten.«
»In den Pyrenäen demnach?«
»Das schließe ich nicht aus.«
Das lag beinahe auf der Hand. Alvarez war Spanier, zu seiner Heimat hatte er beste Beziehungen, aber das Land war auch groß, und ich fragte: »Wo dort genau?«
Alvarez hob die Schultern. »Ich kann Ihnen keine konkrete Antwort geben. Das Gebiet ist leer und einsam, Menschen findet man kaum. Man kann sich in den Tälern gut verstecken.«
»Aber so einsam scheint es doch nicht zu sein«, fuhr ich fort. »Sie müssen ja Ihre Informationen irgendwoher haben.«
Er schaute mich länger an. »Sie gehen den Dingen immer gern auf den Grund, wie?«
»Das ist mein Beruf.«
»Ja, ja«, murmelte er, »ich habe die Informationen von einem Sterbenden. Es war ein Schäfer, der einsam in den Bergen lebte. Aber nur im Sommer. Im Herbst kehrt er zurück in sein Dorf. Ich bin dann auch da, um den Menschen die Beichte abzunehmen. Priester gibt es dort so gut wie keine. Da bin ich dann unterwegs.«
»Und dieser Mann hat Ihnen von den Hütern der Apokalypse berichtet?«
»Nein. Davon konnte er nicht wissen. Er wusste zumindest nicht diesen Begriff. Aber er hat ein Gespräch belauscht, das zwei Männer führten, die eine Kutte trugen. Es war so schlimm gewesen, dass er mich einweihte. Die Männer haben vom großen Sieg und der anderen Welt gesprochen. Dass ihre Zeit sehr nahe sei und das neue Blut fließen würde.«
Ich gab keine Antwort. Ich hatte nun einiges gehört. Sogar recht viele Informationen, aber was passte wie zusammen?
Als ich den Mund öffnete und etwas sagen wollte, schüttelte Alvarez den Kopf.
»Sie brauchen mich nichts mehr zu fragen, Mr Sinclair, ich weiß nicht mehr.«
Es hatte endgültig geklungen. Ob das auch stimmte, wagte ich in Zweifel zu ziehen. Ich schaute Alvarez zu, wie er sich einen Ruck gab und aufstand.
»Ich werde jetzt gehen.«
»Das hatte ich mir gedacht. Wie kann ich Sie erreichen, wenn ich noch Fragen habe?«
»Gar nicht. Ich habe Ihnen alles gesagt. Mehr war nicht abgemacht. Aber hüten Sie sich vor ihnen, sie schaffen jeden aus dem Weg, der ihnen in die Quere kommt. Sie gehen buchstäblich über Leichen. Das müssen Sie mir glauben.«
»Aber Sie leben noch.«
»Ja, das tue ich, denn ich habe mich entsprechend verhalten, ich bin vorsichtig.«
Aus Erfahrung wusste ich, wann Schluss war und ein Mensch nichts mehr sagen wollte. So war es auch hier. Er nickte mir zum letzten Mal zu und machte sich auf den Weg zur Tür.
Meine Stimme holte ihn ein, bevor er die Tür öffnen konnte.
»Wo wollen Sie jetzt hin, und wie kommen Sie an Ihr Ziel?«
Er drehte sich um. »Das wird sich ergeben.«
»Ich könnte Sie mitnehmen.«
Alvarez wartete, bis ich ihn erreicht hatte. »Ja, Sie können mich zum nächsten Bahnhof bringen oder zu einer Haltestelle eines Überlandbusses. Ich komme dann schon zurecht.«
»Wie Sie wollen.«
Alvarez sagte nichts mehr. Dafür öffnete er die Tür und ging vor mir ins Freie.
Mein Wagen war nicht zu übersehen. Als hätte er es besonders eilig, ging Alvarez mit großen Schritten darauf zu. Seine Schuhspitzen wirbelten Laub in die Höhe.
An der Beifahrerseite stoppte er.
Ich stand noch vor der Kirchentür und zog sie langsam zu. Dann ging ich vor. Dabei schaute ich nach vorn und sah etwas durch die Luft huschen. Zielsicher fand der Stahl seinen Weg und jagte voll in den Rücken meines Informanten …
***
Manchmal gibt es Situationen, da bleibt einem die Spucke weg. So erging es mir in diesem Fall.
Ich stand zunächst mal unbeweglich auf dem Fleck. Wie lange dies war, wusste ich nicht, die Zeit war mir irgendwie davongelaufen. Ich war durch die plötzliche Attacke völlig überrascht worden.
Es hatte Alvarez erwischt. Das Messer steckte in seinem Rücken. Trotzdem ging er noch einen Schritt vor und kippte gegen die Autotür an der Beifahrerseite. Ob er dort noch weiteren Halt fand, wartete ich nicht ab, denn ich musste reagieren.
Meine Starre war vorbei, ich drehte den Kopf nach links. Von dort war das Messer geflogen, doch zu sehen war niemand. Erst als ich mich in Bewegung setzte und fast bis zum Ende der Kirchenfront lief, sah ich den Flüchtenden.
Er rannte quer über ein Rasenstück. Sein Ziel war ein dunkler Wagen, der jenseits des Rasens auf einem schmalen Weg parkte. Hätte er näher an der Kirche
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