1716 - Assungas Hexensturm
gefragt.
»Wir sind hier ganz für uns, John. Wir beide nur. Sonst niemand. Wir haben all die Ruhe, die wir brauchen. Endlich mal nur wir beide.«
»Ja, und weiter?«
Sie stand vor mir und hob die Schultern. »Du weißt doch, dass ich eine treue Person bin. Wir haben lange zusammen auf einer Seite gestanden. Wie ich davor auch mit Dracula II. Es war auch nicht vergessen. Oder besser: Man hat ihn nicht vergessen. Es geschieht selten, dass der Spuk eine Seele wieder freilässt. Bei Mallmann, dem Supervampir, hat er eine Ausnahme gemacht, und jetzt hat seine Seele einen neuen Körper gefunden, nämlich meinen. Aber das weiß du ja, John. Du bist selbst dabei gewesen. Ich kann nicht vergessen, wie sehr ich mich an dich gewöhnt habe. Ich will nicht, dass du von meiner Seite verschwindest.« Sie klopfte gegen meine Wangen. »Ja, so treu bin ich nun mal …«
In mir kochte es. Aber ich konnte die Hitze nicht löschen. Ich war wehrlos. Auch ohne die gefesselten Hände wäre es mir unmöglich gewesen, sie zu besiegen, nicht mit den Fäusten, und die Beretta besaß ich nicht mehr.
Allerdings das Kreuz, das nicht sichtbar vor meiner Brust hing. Ich wusste auch, dass die Blutsaugerin sich dafür fürchtete. Sie konnte vieles, was für normale Vampire nicht möglich war, doch mein Kreuz an sich zu nehmen, das würde auch sie nicht überleben.
Sie sprach weiter. »Ich denke, John, dass wir beide ein tolles Paar abgeben werden. Wir würden die Welt zum Kochen bringen. Die Blutsaugerin und der Geisterjäger, das ist ein Team. Das ist perfekt, das hat es noch nicht gegeben.«
Sie erzählte mir nichts Neues. Ich brauchte nicht viel Fantasie, um mir vorstellen zu können, was sie sich ausgemalt hatte. Ich würde als Blutsauger existieren, aber dennoch weg vom Fenster sein. Menschen würde ich mit anderen Augen ansehen und immer daran denken, was in ihren Adern floss.
»Na, was sagst du?«
»Lieber nichts.«
Justine kicherte. »Du kannst dir nur nicht vorstellen, wie es weitergehen wird. Aber lass dir gesagt sein, dass dieses Leben wunderbar ist. Du brauchst auf nichts mehr Rücksicht zu nehmen. Klar, am Anfang wirst du dich daran gewöhnen müssen, doch das geht schnell vorbei. Ich weiß das, ich habe es selbst einmal erlebt.«
»Das stimmt.«
»Aber ich will auch menschlich sein, John. Ich denke da an deine Freunde, die ja für dich wie eine Familie waren. Das habe ich selbst am eigenen Leib erfahren dürfen. Schließlich durfte ich lange Zeit bei deiner Freundin Jane Collins leben, und ich denke, dass man sie nicht außen vor lassen soll.«
Jetzt horchte ich auf, denn aus ihren letzten Worten hatte ich einen gewissen Hintersinn herausgehört.
»Was meinst du?«
»Wir wollen Jane informieren, habe ich mir gedacht.« Sie schaute mich kurz an. »Auch wenn du gefesselt bist, John, wirst du es schaffen, ein Handy zu halten.«
Jetzt wurde mir alles klar. »Du – du – meinst, dass ich sie anrufen soll?«
»Ja, das meine ich. Ich bin kein Unmensch. Verabschiede dich von ihr als Mensch und sag ihr, dass ihr euch bestimmt unter anderen Voraussetzungen wiedersehen werdet.« Sie grinste mir ins Gesicht, und ihre kalten Augen funkelten dabei voller Vorfreude.
Man konnte es drehen und wenden, ich befand mich immer in der schlechteren Lage. Sie hielt alle Trümpfe in der Hand und holte jetzt mein Handy hervor.
»Die Nummer kenne ich noch auswendig. Ich werde sie wählen, dann kannst du dich als Mensch von ihr verabschieden! Ich denke, dass sich so etwas gehört.«
»Und was ist mit meinen anderen Freunden?«, flüsterte ich und spürte die Trockenheit in meiner Kehle.
Justine Cavallo schüttelte den Kopf. »Sie musst du nicht anrufen. Das wird Jane Collins schon für dich erledigen.« Sie nickte mir zu und riet mir, dass ich mir schon mal Gedanken darüber machen sollte, was ich Jane sagen würde.
Zunächst mal schwieg ich. Den Blick hatte ich gesenkt, schielte auf die Blutsaugerin, die Janes Nummer mit einer stoischen Gelassenheit wählte.
Als sie die letzte Zahl eingetippt hatte und die Verbindung herstellte, drückte sie mir den flachen Apparat zwischen die gefesselten Hände, die ich anheben und etwas drehen musste, um das Handy in die Nähe meines rechten Ohrs zu bringen.
Jane war zu Hause. Sie hatte auch meine Nummer auf dem Display abgelesen und meldete sich.
»Hi, John, was gibt es …?«
***
Suko war kurz davor gewesen, Handschellen angelegt zu bekommen, als man ihn anhörte und es ihm gestattete, seinen
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