1716 - Assungas Hexensturm
einem Ort befand, an dem es recht schattig war.
Das alles war zweitrangig, als ich die Gestalt sah, die dicht hinter der offenen Ladefläche erschien. Es war keine Überraschung für mich, trotzdem biss ich mir auf die Unterlippe, als ich Justine Cavallo erkannte.
Sie steckte natürlich in dem mir bekanntes Outfit. Hinter ihr sah ich Baumstämme, und ich dachte daran, dass ihre Kleidung in einen Wald passte wie die Faust aufs Auge.
Sie drückte ihre Hände auf den Boden der Ladefläche und beugte sich etwas hinein.
»Hi, John, wie geht es dir?«
Ich verkniff mir die Antwort.
Sie lachte dann. »Endlich sind wir allein, und das an einem romantischen Ort im Wald.«
Ich hatte keine Lust, mich mit ihr zu unterhalten, und schwieg deshalb auch weiterhin. Außerdem war ich noch nicht wieder voll da. In meinem Kopf tobten weiterhin kleine böse Klopfgeister.
Was konnte ich tun?
Ich war es gewohnt, dass ich mir diese Frage automatisch stellte, aber ich wusste diesmal keine Antwort. Nichts konnte ich tun, einfach gar nichts. Ich war dieser Person auf Gedeih und Verderb ausgeliefert.
Ich hörte ihr Lachen. »Ja, ja, John, ich kann mir vorstellen, wie es in deinem Innern aussieht. Würde mir ja auch so ergehen, aber ich hätte mich anders verhalten als du.«
Klar, das hätte sie. Aber ich war nicht sie.
»Egal. Ich nehme es dir nicht übel, wenn du mir nichts sagen willst. Wäre ich in deiner Lage, hätte ich wohl nicht anders reagiert.«
Jetzt sprach ich sie an. »Verdammt, ich sah dich in einer Lichtaura verschwinden und dachte, dir niemals wieder begegnen zu müssen!«
Sie lachte hämisch. »Da hast du dich aber mächtig getäuscht.«
»Wie hast du es …«
Sie unterbrach mich mit einem schrillen Lachen. Dann sagte sie: »Lass deine dummen Fragen. Ich werde dir nicht verraten, wie ich es geschafft habe, nach London zurückzukehren. Außerdem wird es dich bald überhaupt nicht mehr interessieren.«
»Was willst du eigentlich?«
»Mich freuen.«
»Aha.«
»Ich freue mich, dass wir beide endlich wieder zusammen sind und auch Zeit für uns haben.«
»Wie schön für dich.«
»Sei nicht so sarkastisch, John. Denk an die früheren Zeiten, die leider für dich vorbei sind. Aber es gibt die Erinnerung, und die halte ich wach.«
Sie hatte zwar geredet, ich hatte sie auch gehört, aber ihre Worte waren einfach an mir abgetropft.
»Dann wollen wir mal, mein Lieber«, sagte sie mit einer übertriebenen Freundlichkeit. Sie veränderte ihre Position und schob ihren Oberkörper in den Wagen.
Danach streckte sie die Arme aus, und zwei Hände umklammerten meinen linken Arm. Ich wurde über den Boden auf die offene Hecktür zu geschleift und danach aus dem Wagen gehievt.
Bis dahin ging noch alles glatt, bis mich die Cavallo auf die Füße stellte, was schlimm für mich war, denn jetzt jagten die Schmerzen wieder stärker durch meinen Kopf, sodass ich den Überblick verlor.
Ich wusste nicht mehr, wo ich war, und hätte die Cavallo mich nicht festgehalten, wäre ich zusammengebrochen. Dafür durfte ich mir ihren spöttischen Kommentar anhören.
»Schwächelst du etwa, Geisterjäger?«
Ich gab eine Antwort, die nicht aus Worten bestand, sondern einem scharfen Zischen.
Die Welt um mich herum drehte sich wieder, und ich war der Blutsaugerin dankbar, dass sie mich festhielt, sodass ich mich allmählich erholen konnte.
Die Schwankungen und Drehungen hörten auf. Ich erkannte, wo ich mich befand, nämlich auf einer halbkreisförmigen Lichtung, denn Bäume sah ich nur an einer Seite, ansonsten hatte ich einen freien Blick, der mir jedoch keine Hoffnung brachte, denn nirgendwo war ein Ort oder auch nur ein Haus zu sehen.
»Geht es wieder?«, fragte Justine besorgt.
Ich hätte ihr am liebsten das glatte Gesicht zertrümmert. Aber das war nicht möglich. Sie war zu stark. Zudem waren meine Hände gefesselt.
»Was willst du, Justine?«
»Dich!«
Ich lachte. »Du hast mich doch!«
»Das stimmt. Aber ich will dich ganz. Ich will dir auch zeigen, wie dumm du bist. Du hättest dich damals nicht auf die andere Seite stellen sollen. Es wäre alles so weitergelaufen wie immer, aber du hattest ja deine Prinzipien.«
»Die ändern sich auch nicht.«
»Dein Pech.«
Ich kämpfte noch immer gegen die Schmerzen an, was nicht leicht war. Mal waren sie verschwunden, dann aber kehrten sie in Wellen zurück, und dann hatte ich Mühe, normal stehen zu bleiben.
»Wo sind wir hier?« Ich wollte endlich mehr wissen und hatte nur deshalb
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