1716 - Assungas Hexensturm
nicht gelingen, die Formel zu rufen. Ich war völlig von der Rolle.
Die Blutsaugerin sah ich nur als Schatten, denn ein Schleier verwehrte mir noch immer den klaren Blick.
Aus dem Schattenbild heraus vernahm ich ein Lachen und danach die Stimme.
»Was sollte das denn, John Sinclair? Weißt du nicht, dass ich dich lange genug kenne? Hast du nicht damit gerechnet, dass ich nur darauf gewartet habe, dass du die letzte Möglichkeit in Angriff nimmst? Genau so ist es gekommen. Du hast alles versucht, und doch bin ich besser. Das war ich schon immer, und du hast es oft genug erleben können. Noch stehen wir auf verschiedenen Seiten, aber bald nicht mehr, John. Dann wird dein Blut mich gesättigt haben …«
***
Jane Collins stand in ihrem Zimmer in der ersten Etage. Sie hielt das Telefon noch in der Hand und schaute aus dem Fenster, ohne jedoch zu erkennen, was sich draußen ihren Augen bot. Dazu waren ihre Sinne nicht mehr in der Lage. Zu stark hatte sie der Anruf geschockt und bei ihr für ein großes Durcheinander gesorgt.
Es war schrecklich, und es war eine Wahrheit. Die Cavallo hielt John Sinclair in ihrer Gewalt. Jane kannte die Vampirin lange und gut genug, um zu wissen, dass sie ihre Pläne gnadenlos verfolgte. Wer nicht für sie war, der war gegen sie, und das hatte John zu spüren bekommen. Und sie würde noch weitere Personen auf ihre Seite ziehen.
Wenn Jane richtig darüber nachdachte, war sie nicht mal zu sehr überrascht. Alle aus dem Sinclair-Team hatten Zeit genug gehabt, sich darüber Gedanken zu machen. Irgendwie hatten sie es auch verdrängt, und jetzt hatte die Cavallo zugeschlagen.
Eiskalt. Gnadenlos. Sie wollte John zu einem Vampir machen, und sie musste ihn dabei in eine Lage gebracht haben, in der er hilflos war.
Jane ärgerte sich auch darüber, dass sie keinen Hinweis darauf hatte, wo sich der Geisterjäger befand. Er war der Erste auf Justines Liste. Andere würden folgen, und Jane Collins schloss sich selbst dabei nicht aus.
Irgendwann bewegte sie sich wieder. Der Gedanke an ein Telefonat kam ihr dabei in den Sinn.
John Sinclair war ja kein Einzelgänger. Die meisten Fälle löste er zusammen mit Suko. Das gab Jane zwar keine Hoffnung, sie dachte nur daran, dass der Inspektor vielleicht mehr wusste, weil John ihn eventuell eingeweiht hatte.
Sie rief ihn an. Nicht im Büro, sondern über das Handy. Was sie ihm sagen wollte, ging nur ihn etwas an.
Suko meldete sich auch. Seiner Stimme hörte Jane an, dass er sich nicht eben in einer euphorischen Stimmung befand, dazu klang sie zu nüchtern.
»Ich bin es nur.«
»Hi, Jane.«
»Es geht um John«, sagte sie schnell.
Suko sprang sofort auf diesen Zug auf. »Hast du etwas von ihm gehört?«
»Leider.«
»Rede, bitte.«
Jane stellte eine Frage. »Du kannst mir nicht zufällig sagen, wo er sich aufhält?«
»Nein, aber ich kann dir versichern, dass er entführt wurde. Und zwar von …«
»Justine Cavallo«, flüsterte Jane in den Satz hinein. »Das weiß ich bereits.«
»Und woher?«
»Ich habe mit John gesprochen. Es war der reine Zynismus, dass die Cavallo die Verbindung zwischen uns hergestellt hat. Er sollte leiden, und ich ebenfalls.«
»Hör auf, Jane. Ich weiß, wie es laufen soll. Die Cavallo will Johns Blut trinken.«
»Genau das. Er soll als Erster an die Reihe kommen. Er soll sein Blut verlieren, die Cavallo wird es mit großem Vergnügen trinken, und John wird nicht die Spur einer Chance haben.«
»Das hat verdammt negativ geklungen.«
»Ja, Suko, und ich sehe auch keine Chance, dies zu ändern. Für mich hat die Gegenseite gewonnen. Ich weiß nicht, wo sich die beiden befinden.«
»Ich auch nicht.«
Es entstand das große Schweigen, das Suko schließlich mit einer wenig überzeugend klingenden Frage unterbrach.
»Was können wir tun?«
»Nichts, fürchte ich. Einfach gar nichts.« Die Detektivin atmete tief ein. »Und wenn wir ihn dann wieder zu Gesicht bekommen, können wir nur hoffen, vor uns keinen Blutsauger zu haben. Allein die Vorstellung macht mich fast wahnsinnig.«
Suko gab keine Antwort, wobei Jane sich vorstellen konnte, dass es in ihm nicht anders aussah als bei ihr …
***
Ich lag auf dem Boden und sah nicht einmal, wohin ich genau gefallen war. Es zählte auch nicht, wichtig war etwas ganz anderes. Dass ich keine Chance mehr hatte, dieser Unperson zu entgehen. Sie würde mich nicht mehr aus den Augen lassen, und sie würde dafür sorgen, dass ich auch keine Chance erhielt, die Formel zu
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