1716 - Assungas Hexensturm
weg, denn ich sah sie einige Meter entfernt auf einer Lichtung oder einem freien Platz. Dort war sie voll erwischt worden.
Wie aus dem Nichts war etwas anderes und mir auch Fremdes erschienen. Ein gewaltiger Wirbel, ein heller Sog, der sich um den Körper der blonden Bestie gelegt hatte.
Obwohl sie mit beinahe schon extremen Kräften ausgestattet war, konnte sie gegen diesen Wirbel nichts ausrichten. Es war kaum zu glauben. Ich sah sie inmitten dieser fremden Szenerie und stand selbst auf, um einen besseren Überblick zu haben.
Justine konnte dem Wirbel nicht entkommen. Mal wurde sie gepackt und leicht angehoben, dann fiel sie wieder zurück, blieb aber nicht stehen oder liegen, sondern flog von einer Seite zur anderen, wobei sie ihre Arme ausbreitete, um Halt zu finden.
Urplötzlich wusste ich Bescheid. Das war verrückt, aber es stimmte. So etwas Ähnliches hatte ich schon mal erlebt.
Ich ärgerte mich selbst, dass ich nicht eher darauf gekommen war, aber auf dem Film, den Tim Lee gedreht hatte, war eine ähnliche Szene zu sehen gewesen.
Und dann war plötzlich die Schattenhexe Assunga aufgetaucht!
Mein Gott, an sie hatte ich nicht mehr gedacht in diesem mörderischen Trubel, doch jetzt war sie in meinen Gedanken wieder präsent.
Ich holte tief Luft und bewegte mich nicht von der Stelle. Neben dem Baumstamm stehend sah ich, wie dieser helle Wirbel und Sog selbst mit der mächtigen Blutsaugerin spielte, sie noch mal richtig zu fassen bekam, ihre Beine in die Höhe wuchtete, sodass sie vom Boden abhob.
Das geschah nur für kurze Zeit. Dann erlebte sie, wie stark die Anziehungskraft der Erde sein konnte. Mit voller Wucht prallte sie auf den Rücken, als sollten ihr alle Knochen gebrochen werden.
Es war nicht das Ende, es war so etwas wie ein Anfang, denn innerhalb des Wirbels zeichnete sich plötzlich eine Gestalt ab, die rote Haare hatte und einen dunklen Mantel trug.
Assunga, die Schattenhexe, und ich fragte mich plötzlich, ob sie meine Retterin war …
***
Es war klar, dass ich im Moment keine Rolle spielte, und das blieb auch so, denn es wurde zu einer Sache zwischen den beiden Frauen, die so unterschiedlich waren.
Auf der einen Seite gab es die Hexe, auf der anderen die Blutsaugerin. Aus Erfahrung wusste ich, dass sich beide hassten. Das hatte ja auch der Film gezeigt.
Die Cavallo lag am Boden. Sie hatte die Beine wie zur Abwehr leicht angezogen.
Das konnte ich kaum fassen. Es war mir neu, so etwas hatte ich bei ihr noch nicht erlebt. Diese Haltung und auch ihr Nichtstun sah nach einer Niederlage aus.
Der Hexensturm war vorbei. Aber er hatte Assunga nicht mit sich gerissen, sondern sie hergeschafft. Sie stand in Justines Nähe und schaute auf sie hinab.
Dieses Bild hätte ich gern fotografiert, denn es war mehr als selten, die Cavallo in einer derartigen Pose zu sehen. So sahen nur Verlierer aus.
Ich überlegte, ob ich an meinem Platz bleiben sollte. Doch dann ging ich einen Schritt nach vorn und stand jetzt neben dem Baum.
Assunga hatte die Bewegung mitbekommen. Sie schaute kurz zu mir her, sagte aber nichts und gab mir auch nicht durch ein Zeichen bekannt, ob sie für oder gegen mich war.
Es war besser, wenn ich im Hintergrund blieb. Die Schattenhexe gehörte nicht eben zu meinen Freundinnen. Sie stand auf der dämonischen Seite. Aber auch dort gab es Kämpfe, und allmählich setzte sich der Gedanke in mir fest, dass ich als unbeteiligter Dritter in eine Auseinandersetzung zwischen der Blutsaugerin und der Hexe geraten war. Jetzt hätte ich sogar Zeit gehabt, mein Kreuz zu aktivieren. Aber das ließ ich bleiben, denn ich konnte mich nicht darauf verlassen, dass Assunga es zugelassen hätte.
Sie ging noch näher an die am Boden liegende Justine Cavallo heran und trat gegen ihre Schulter.
Die Blutsaugerin zischte einen Fluch, drehte den Kopf und schaute hoch.
»Du hast es nicht lassen können!«, erklärte Assunga. »Ich habe dir doch zu verstehen gegeben, dass ich es hasse, wenn man sich mit meinen Freundinnen anlegt.«
»Ich weiß.«
»Und du hast dich nicht daran gehalten, denn ich konnte sehen, wie eine von deinen Kreaturen Noras Blut trinken wollte. Aber Hexenblut ist nichts für Vampire. Es ist zu bitter. Es ist Gift, es ist einfach nur gallig.«
Die blonde Bestie wollte nicht mehr länger in ihrer Lage bleiben. Sie zog die Beine an, stemmte sich zuerst auf die Beine und drückte sich danach in die Höhe.
Assunga ließ es zu.
Justine reckte sich, sodass sie sich auf Augenhöhe
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