179 - Gefangene der Traumzeit
bleich wie der Tod, zitterte am ganzen Körper und hielt sich den Bauch, als litte er unsägliche Schmerzen.
»Theopheel bedarf dringend der Disziplinierung«, verkündete der Weiße Ritter. »Die Legion hat keine Verwendung für Elemente, denen man keine Sekunde trauen kann. Die hinter allem stehende Macht hat ihn aussortiert wie alle anderen, die versagt haben.«
»Als ich ihn zuletzt sah«, schrie Aruula, »war er bei bester Gesundheit!«
»Die hinter allem stehende Macht hat ihn gezeichnet, damit wir ihn als ungeeignet erkennen. Und um zu verhindern, dass er dem Feind dienen kann.«
Während je zwei Skelette Aruula und Malie festhielten, traten die beiden restlichen an die Eisentür und machten Anstalten, ihre zahlreichen Riegel zu öffnen.
Aruula fragte sich, wie sie die menschliche Kälte des Weißen Ritters auffassen sollte. Als Kriegerin wusste sie natürlich, dass es schädlich war, wenn einem Heer unmotivierte, kranke oder schwache Krieger angehörten. Sie aber hier gefangen zu halten und zu quälen, widersprach der Kriegerehre und zeugte von keinem guten Charakter.
»Wir kämpfen also für das Gute, was?«, sagte Malie voller Hohn, als die Skelette die Tür aufrissen. Grauer Dunst waberte in den Turm hinein.
Theopheel schrie wie am Spieß und wälzte sich über den Boden, als wolle er ins Freie kriechen, doch eins der Skelette an der Tür fuhr herum und trat nach ihm.
Aruula , kreischten Theopheels Gedanken. Hilf mir…
Aruula zuckte herum, doch Malie schüttelte den Kopf, und ihre Gedanken blitzten: Nicht! Es hat keinen Sinn!
»Auch Ihre Disziplin lässt noch zu wünschen übrig, Gnädigste«, sagte der Weiße Ritter. »Aber das wird aufgewogen von ihrem unbändigen Willen, gegen die Kreaturen des Wandlers zu kämpfen. Sie können sich also glücklich schätzen, die Prüfung bestanden zu haben.«
Das Skelett, das Aruula von hinten gepackt hielt, schwang sie herum, der offenen Tür und dem Gewaber entgegen. Sie ließ es widerstandslos geschehen. Denn ihr war klar geworden, dass die hinter allem stehende Macht nicht selbstlos war. Dass sie im bevorstehenden Kampf für einen Feldherrn streiten sollte, der im Grunde genauso gefühllos und kalt war wie die Daa’muren.
Und gerade als sie dies erkannt hatte… vergaß sie die Erkenntnis auch schon wieder, denn eine sanfte Hand fuhr über die gerade geschriebene letzte Seite ihrer Erinnerungen und löschte sie aus.
Der Weiße Ritter, das stand für Aruula fest, stand auf der Seite des Guten. Auf der Seite des Lichts! Und es war ehrenvoll, für ihn bis zum Letzten zu kämpfen, selbst wenn es den Tod bedeutete.
»Nun geh und kehre in die Wirklichkeit zurück!«, erklang die Stimme des Weißen Ritters wie durch dichten Nebel hindurch.
Man ließ sie los. Aruula schaute ins Grau und streckte einen Arm ins Freie.
Es war weder kalt noch warm.
»Wohlan«, hörte sie den Weißen Ritter sagen. »Am Tag der Entscheidung werden wir uns wieder sehen.«
Aruula trat einen, den entscheidenden Schritt vor, sah gleichzeitig eine schnelle Bewegung aus dem Augenwinkel und spürte im selben Moment, wie sich schlanke Arme um ihren Oberkörper schlangen.
Malie! Sie klammerte sich an Aruula fest, schaute ihr in die Augen und schob sie weiter vorwärts. Sie dachte nicht; vermutlich wollte sie der hinter allem stehenden Macht keinen Hinweis geben. Ihr Blick jedoch war Aufforderung genug, es ihr gleich zu tun.
Aruula überlegte nicht lange. Sie drückte Malie ebenso an sich und spürte im selben Moment, dass sie in die reale Welt überwechselte.
Malie hatte nicht zurückbleiben wollen, deshalb hatte sie Aruula im Moment des Übergangs körperlich wie geistig umarmt.
Doch als sich Aruula auf der Strohmatte wieder fand und die schwarzen Gesichter sah, die sich über sie beugten, schaute sie sich vergebens nach Malie um…
***
Als das Fieber abklang, erzählten die wortkargen Männer ihr in Maddrax’ Sprache, wie krank sie gewesen war.
Aruulas Annahme erwies sich als zutreffend: Bei dem Kampf am Wasserloch war Schlangengift über eine Schürfwunde an ihrem Unterschenkel in ihren Kreislauf gelangt. Die Männer waren praktisch im letzten Moment gekommen, um sie zu retten.
Sie verhehlten nicht, wie sehr es sie freute, dass ihr Gast den Kampf gegen das Gift gewonnen hatte. Yngve hatten sie in der Steppe bestattet; vor drei Tagen schon, damit die Aasvögel ihn nicht bekamen.
Abends am Feuer berichteten sie von ihrem Volk, den Anangu (auch bekannt als Aborigines), deren
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