179 - Gefangene der Traumzeit
erschaffen, um uns darin zu prüfen. Ich vermute, dass er im Dienst des brennenden Felsens handelt. Und wenn wir versagen, sind wir Gefangene.«
»Das bedeutetet…«, begann Aruula, sprach aber nicht weiter.
»… dass du nur gesund wieder hier raus kommst, wenn du die Prüfung schnellstens ablegst«, führte Malie den Satz zu Ende.
»Und was ist mit dir?«
Malie senkte den Kopf. »Ich habe versagt, darum bin ich noch hier, und die Krankheit streckt ihre Klauen nach mir aus.«
»Sag so was nicht!«, begehrte Aruula auf. »Natürlich gibt es einen Ausweg! Es gibt immer einen Ausweg!«
Malie legte eine Hand auf ihre Schulter. »Du weißt doch, wo du bist? Ich meine, wo du wirklich bist? In diesem Moment?«
»Ja, natürlich…« Aruula schaute sich um. Gerade hatte sie es noch gewusst. Jetzt war sie sich nicht mehr ganz sicher.
»Es gibt uns zweimal«, erklärte Malie. »Einmal hier, wo sich unsere Geister manifestiert haben – und einmal da draußen, in der Wirklichkeit!«
»Genau!«, rief Aruula, als sie sich erinnerte. »Ich wurde verletzt, und für wenige Augenblicke war ich wieder dort, wo meine Reise begonnen hatte – beim Stamm der Dunkelhäutigen!«
»Der Schmerz hat dich für einen Moment in die Realität geholt.«
Aruula dachte nach. Sie war also der Willkür des Weißen Ritters ausgeliefert. Versagte sie, würde ihr Geist auf immer hier bleiben müssen, in dieser Welt ewiger Nacht, während ihr Körper… ja, was tat? Irgendwo wie schlafend lag, bis er verdurstet und verhungert war? War das die Krankheit, die nach den Menschen hier griff: das Sterben ihres Körpers in der Wirklichkeit?
»Glaubst du, die hinter allem stehenden Macht ist böse?«, fragte sie Malie mit einem Schaudern. »Aber sie kämpft doch gegen die Daa’muren, und das sind die Bösen! Alles, was du über die Simulacren sagst, passt auf die Daa’muren: Sie sehen wie Menschen aus, aber sie sind hohl. In ihnen nisten Geistwesen, die die Erde erobern wollen! Wenn man die Hülle aufschlitzt, entweicht ihr heißer Dampf!«
»Ich kenne diese Daa’muren nicht«, sagte Malie. »Ich habe nie von ihnen gehört. Doch wenn es sie wirklich gibt, sind sie bestimmt eine böse Machenschaft der hinter allem stehenden Macht und dienen nur dazu, uns Menschen zu verwirren und zu spalten.«
»Uns Menschen?« Aruula schaute auf.
Malie nickte. »Ja, es ist eine riesige Verschwörung, und sie richtet sich gegen uns Menschen.« Sie deutete nach oben. »Der Kampf, der hier geführt wird, dient nur dazu, etwas über uns herauszufinden.«
»Über uns Menschen?«
»Über uns Telepathen ! Oder Lauscher , wie du es nennst. Auf dem Weg hierher bin ich so vielen begegnet wie noch nie zuvor.« Sie räusperte sich.
»Alle folgen seit Monaten dem Ruf des Uluru (auch bekannt als ›Ayers Rock‹)… seit dem Tag, an dem der Erdball gewankt hat.«
»Uluru?«
Ein von Malies mentalen Kräften erzeugtes Bild tauchte in Aruulas Bewusstsein auf. Der flammende Felsen!
»Sie halten den Uluru für die hinter allem stehende Macht.«
Malie beugte sich vor.
»Wo sind diese Telepathen?«, fragte Aruula. »Hast du Kontakt mit ihnen?«
Malie schaute sich um. »Ich spüre, dass sie um mich sind. Aber auch sie sind so gut wie tot.«
Aruula versuchte Klarheit in ihre Gedanken zu bringen, die sich mehr und mehr verwirrten. Wie lange hatte sie eigentlich nicht mehr geschlafen? Sie empfand plötzlich eine lähmende Mattigkeit und streckte sich auf dem Boden aus.
Der dunkelrote Teppich, der ihn bedeckte, roch nach Staub.
Die ganze Luft in diesem Raum roch abgestanden, aber nach dem aasigen Gestank im Rohr machte ihr das nichts aus.
Malie trat neben Aruula. »Du darfst nicht aufgeben!«, warnte sie eindringlich. »Du bist hier, um eine Prüfung zu bestehen.«
»Was wird aus mir, wenn ich sie bestehe?«, fragte Aruula.
Doch darauf wusste auch Malie keine Antwort…
***
Sie wusste nicht, ob sie doch eingeschlafen war – und wenn ja, wie viel Zeit vergangen war. Aruula schreckte hoch, als das Gejammer und Gestöhne der armen Teufel im Nebenraum unerträglich wurde.
Sie richtete sich auf. Malie war nicht mehr bei ihr! Wohin war sie gegangen?
Ihr Kopf dröhnte. Malies letzte Worte fielen ihr ein. Sie musste hinaus, musste Theopheel und den Grafen suchen.
Wenn Theopheel echt war, wusste er vielleicht etwas, das sie weiterbrachte.
Sie war es satt, in diesen schmutzigen Gängen herumzukriechen und gegen jemanden zu kämpfen, der sich nicht zeigte. Sie hatte es auch
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