18 - Orangen und Datteln
hinunter im Gedächtnis; noch klang mir das haarsträubende ‚Allegro, allegrissimo!‘ welches er stets gerufen hatte, wenn ich ihn bat, langsamer und vorsichtiger zu fahren, in die Ohren; die alte Carette wurde von den im Galopp bergab stürmenden Pferden am Rande grausiger Abgründe dahin- und um scharfe Felsenkanten herumgerissen, als, habe ich meine Reise nur unternommen, um in der Tiefe irgendeiner Gebirgsschlucht zerschmettert zu werden; und als ich endlich wohlbehalten die Ebene erreichte, war es mir, als sei ich einer Gefahr entronnen, gegen welche es für mich weder Wehr noch Waffe gegeben hatte.
Was aber war selbst diese Allegrissimo-Tour gegen eine Reise mit der Steppenpost! Die Diligence bestand aus einem Wagen mit Interieur, Coupé und Blanquet und war mit acht Pferden bespannt, von denen zwei vorn und dann je drei nebeneinander gingen. Von einer Straße gab es keine Spur; die Fahrt ging immer in gestrecktem Lauf durch Löcher, über halsbrecherische Flußbetten, steile Pässe hinan, jähe Abhänge hinunter, und alle Augenblicke waren wir gezwungen, auszusteigen, um in rührender Geduld unsere Kräfte mit denen der unglücklichen Pferde zu vereinen, wenn es galt, den Wagen aus einem Loch herauszuarbeiten oder über eine Stellung hinwegzubringen, die selbst für einen Fußgänger beschwerlich gewesen wäre. Ich fühlte mich schon nach den ersten Stunden wie gerädert; Korndörfer räsonierte ein ‚Maschallah‘ nach dem andern, und Hassan el Kebihr gab sich mit allen Kräften denjenigen interessanten Zerstreuungen hin, welche gewöhnlich mit der Seekrankheit verbunden zu sein pflegen. Der gute Araber vom berühmten Stamm der Kubabisch und dem Ferkah en Nurab hatte noch nie in einem Wagen gesessen; ich mußte unwillkürlich an seine grandiose Versicherung denken: „Die Steppe bebt, und die Sahel erzittert, wenn Djezzar-Bei erscheint!“ Jetzt bebte und zitterte er an allen Gliedern in der Steppe, und es war ihm anzusehen, daß es ihm ganz fürchterlich ‚giaur‘ zu Mute sei.
Sein Grimm über diesen unwürdigen Zustand machte sich erst in Batna Luft:
„Allah kerihm, Gott ist gnädig, und ihm sei Dank, daß mich meine Haut zusammengehalten hat! Ist denn Hassan-Ben-Abulfeda-Ibn-Haukal al Wardi-Jussuf-Ibn-Abul-Foslan-Ben-Ishak al Duli ein Blutegel, daß er wieder von sich geben muß, was er genossen hat? Ich schwöre es beim Barte des Propheten, daß Hassan el Kebihr nie wieder in ein Räderhaus steigen wird, wo ihm zu Mute wird, als ob er unter die Haschasch (Haschischraucher) gehöre! Djezzar-Bei, der Menschenwürger, hat seine Heimat im Serdj (Sattel); du wirst ihn nur nach Bab-el-Ghud bringen, Sihdi, wenn du ihm erlaubst, zu reiten!“
„Hassan hat recht“, stimmte der Staffelsteiner bei. „Maschallah, tausend Schwerebretter, war dos aan Gerumpel und Gerassel in der alt'n Bude, die sie Diligence schimpfen! Ich fahr' mit acht Pferden und soll halt noch selber Vorspann tun? Dos hält kaan Mensch nit aus! Ich war Chasseur d'Afrique und will lieber die ärgste Bestie reiten als noch 'mal in die Bud' hineinschau'n!“
Ich mußte den beiden erbitterten Passagieren recht geben, zumal ich mich bereits entschlossen hatte, auf die weitere Benutzung der Diligence zu verzichten. Ein Aufenthalt in Batna war mir nicht gestattet, und so engagierte ich einen Beduinen, mich und meine zwei Begleiter auf Pferden nach Biscara zu schaffen, wo ich mir Kamele zur Weiterreise kaufen wollte. Er aber riet mir, dies nicht zu tun, sondern mit ihm über das Auresgebirge nach einem arabischen Duar (Zeltdorf) zu gehen, wo ich bessere und zugleich billigere Kamele finden würde als in Biscara.
Ich ging auf seinen Vorschlag ein, behielt mir aber vor, das Gebirge über den Fuhm-es-Sahar (Mund der Wüste) zu erreichen, um so lange wie möglich dem gewöhnlichen Reiseweg folgen zu können. Ich konnte mir allerdings denken, daß ich im Duar frische und ungeschwächtere Tiere erhalten würde als in der Stadt, wo vielleicht nur abgetriebene zu finden waren, die man notdürftig wieder aufgefüttert hatte; doch gab es noch einen Grund, welcher mich bestimmte, der Ansicht des Führers zu folgen. In den wilden Tälern des Auresgebirges ist der Löwe keine Seltenheit, und wenn ich auch wegen der Eile, mit welcher wir reisten, keine Hoffnung hatte, mit dem König der Tiere persönlich zusammenzutreffen, so war es doch vielleicht möglich, seine Spur zu sehen oder gar seine Stimme zu hören. Übrigens war eine kleine Ewigkeit
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