18 - Orangen und Datteln
mit seinem Mangel an Mut zur Genüge aussöhnte. Er kannte nicht nur die Wege genau, sondern verstand es, alle seine Vorkehrungsmaßregeln so zu treffen, daß wir bisher nicht den geringsten Schaden oder Mangel zu leiden hatten. Seine Anhänglichkeit an mich hatte sich nach und nach zu einer ganz erfreulichen Stärke entwickelt, und ich hätte ihm gern mein vollständiges Vertrauen geschenkt, wenn mir nicht eine außerordentliche, beängstigende Aufregung aufgefallen wäre, an welcher er seit einiger Zeit, und zwar nur des Morgens, zu leiden schien. Er saß dann auf seiner Matte, von welcher er nicht aufzubringen war, weinte und schluchzte, lachte und jubelte in einem Atem, nannte sich bald einen Helden und bald eine Memme, bald einen guten Moslem und bald einen Ungehorsamen, der in die Dschehennah fahren müsse. Es war eine Art Wahnsinn, der ihn erfaßt haben mußte und dessen Ursache ich gar zu gern auf die Spur gekommen wäre; doch stand es fest, daß ich mich der Führung eines geistig gestörten Mannes nicht ohne ganz besondere Vorsicht anvertrauen konnte, was mir seiner sonstigen Zuverlässigkeit wegen herzlich leid tat.
Wir waren noch immer bloß drei Personen und zählten eine hinreichende Anzahl Packkamele, um die Lasten verteilen zu können; darum reisten wir mit doppelter Schnelligkeit als eine gewöhnliche Karawane und konnten sicher sein, das Bab-el-Ghud nach drei guten Tagemärschen zu erreichen. Da mein Hedjihn ein besserer Läufer als die andern Tiere war, so pflegte ich des Morgens später als Josef und Hassan aufzubrechen und, wenn ich sie eingeholt hatte, ihnen eine Strecke vorauszueilen, um dann bis zu ihrem Nahen entweder meinen Tschibuk in Gemütlichkeit rauchen zu können oder für die Bereicherung meiner Naturaliensammlung Sorge zu tragen.
So ritt ich auch jetzt ganz allein zwischen den Dünen dahin und hielt zuweilen mein Tier an, um dem eigentümlichen Klingen des Sandes zu lauschen, welches, beinahe unhörbar, für ein scharfes Ohr dennoch zu vernehmen war. Die einzelnen Körnchen berührten sich, drängten einander vorwärts, an der westlichen Seite der Dünen empor, an der entgegengesetzten wieder hinab, und verursachten jenes seltsame, beinahe singende Geräusch, welches in seinem zarten, metallischen Klang dem heimlichen Flüstern von Millionen Liliputkehlen gleicht. Die Myriaden und aber Myriaden Körnchen bewegten sich, ohne daß ich einen nennenswerten Lufthauch bemerkt hätte; sie waren einmal in Gang gebracht und behielten ihre Stetigkeit infolge einer so geringen Bewegung der Atmosphäre, daß die menschliche Haut für dieselbe keine Empfänglichkeit besaß.
Da bemerkte ich zwischen zwei Erhöhungen einen kleinen Sandberg, welcher nicht auf natürliche Weise entstanden sein konnte. Ich ließ mein Hedjihn niederknien und stieg ab, um ihn zu untersuchen. Ich hatte recht vermutet. Hier lag die Leiche eines Arabers samt derjenigen seines Tieres, welche der wandernde Sand bereits überflutet hatte. Das Tier war ein echtes Bischarin gewesen und – wahrhaftig, es hatte, wie ich jetzt sah, eine Kugel vor die Stirn bekommen. Sollte hier ein Akt der Blutrache vorliegen? Ich entfernte den Sand weiter, um den Reiter genauer in Augenschein zu nehmen. Ich fand ihn in vollständiger Bekleidung und Bewaffnung; der Kapuze seines Burnus war ein A.L. eingestickt, und dieselben zwei Buchstaben fand ich auch dem Kolben seiner Flinte und dem Griff seines Messers eingebrannt. Grad einen Zoll über der Nasenwurzel sah ich ein scharfes rundes Loch, welches von einer Kugel herrührte, die dem Manne vorn in den Kopf und hinten wieder hinausgedrungen war.
„Emery Bothwell!“ rief ich überrascht, obgleich kein Mensch in der Nähe war, der mich hören konnte.
Ich kannte diesen Kapitalschuß; ich hatte dasselbe Loch in mancher Indianerstirn gesehen, welche der sichern Büchse meines englischen Freundes zu nahe gekommen war, und wußte daher ganz genau, daß er auch hier der Schütze gewesen sei. Er befand sich also bereits in Bab-el-Ghud, und es mußten wenigstens drei Wochen seit diesem Schuß vergangen sein, wie ich aus der Höhe des Sandes und an genugsam andern Zeichen sah. Ich sagte mir augenblicklich, daß dies nicht der einzige Tote sei, dessen Gebeine, getroffen von der Kugel des ‚verytablen Englishman‘, in der Wüste bleichten; das verhängnisvolle Zeichen mußte jedem den Tod bringen, an dessen Kleidern oder Waffen er es bemerkte.
Ich vermutete auch hier ganz richtig, denn in einiger
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