18 - Orangen und Datteln
trinke keinen Wein und keinen Spiritus; ich habe die Nuktha-el-Zat genossen.“
„Aber auch diese ist dir verboten!“
„Du irrst, Sihdi; der Moslem darf sie trinken.“
„Hast du nicht gehört, daß der Prophet sagt: ‚Kullu muskirün haram, alles, was trunken macht, ist verboten.‘“
„Sihdi, du bist weiser als ich; du kennst sogar die lim et tauahhid, die Lehre von dem einen Gott und die Gesetze des frommen Schaffey; aber ich darf das Ma-el-Zal trinken, denn es macht mich nicht betrunken!“
„Es hat dich betrunken gemacht schon mehrere Tage, und auch jetzt hält der Geist des Schnapses deine Seele gefangen.“
„Meine Seele ist frei und munter, als hätte ich aus der Zemzemiëh getrunken!“
„So sage mir den Surat el kafirun!“
Diese Sure ist die hundertundneunte des Koran und findet bei den Muselmännern oft eine eigentümliche Anwendung. Dieses Kapitel muß nämlich ein Moslem hersagen, wenn man ihn für betrunken hält. Die einzelnen Verse unterscheiden sich nur dadurch voneinander, daß dieselben Worte in ihnen eine verschiedene Stellung haben, und ein Betrunkener wird es nur selten dahin bringen, sie nicht zu verwechseln. Deutsch heißt diese Sure: „Sprich: O ihr Ungläubigen, ich verehre nicht das, was ihr verehret, und ihr verehret nicht, was ich verehre, und ich werde auch nicht verehren das, was ihr verehret, und ihr werdet nie verehren das, was ich verehre. Ich habt eure Religion und ich die meinige.“ In arabischer Sprache ist allerdings die richtige Rezitation eine viel kritischere und schwierigere als im Deutschen.
„Du hast kein Recht, Sihdi, mir den Surat el kafirun abzuverlangen, denn du bist nicht ein Moslem, sondern ein Christ.“
„Du würdest ihn sagen, doch du vermagst es nicht. Du glaubst, ein Moslem dürfe einem Christen nicht gehorchen; warum bist du dann mein Diener geworden? Du hältst es für kein Verbrechen, das Ma-el-Zat zu trinken, aber daß du es mir gestohlen hast, kannst du nicht leugnen. Der Koran bestraft den Dieb, und auch du wirst deine Strafe haben!“
„Kannst du einen Rechtgläubigen bestrafen, Sihdi? Geh zum Kadi!“
„Ich brauche deinen Kadi nicht!“
Hassan war nur unser Führer, und da die Aufsicht über das Gepäck Sache des Staffelsteiners war, so wußte der gute Kubaschi nicht, welchen Inhalt das Fäßchen außer dem Spiritus noch hatte. Ich nahm das Messer her. In wenigen Augenblicken waren die oberen Reifen zerschnitten und losgesprengt; ich schlug den Boden auf und hielt dem Menschenwürger nun das übel aussehende und noch übler riechende Gewürm unter die Nase.
„Hier hast du dein Ma-el-Zat, Hassan!“
Er spreizte die Beine aus, warf alle zehn Finger in die Luft und schnitt ein Gesicht, in welchem sich alle in dem Gefäß befindlichen Figuren widerspiegelten.
„Bismillah, Sihdi, was habe ich da getrunken! Allah inhal el rhuschar, Allah verderbe dieses Faß; denn mir ist's in meiner Gurgel, als hätte ich die ganze Dschehennah hinuntergeschluckt mit zehn Millionen von Geistern und Teufeln!“
„Dies ist der eine Teil deiner Strafe; der andere mag in der Wunde bestehen, welche dir Jussuf gestern gestoßen hat. Ihr seid quitt!“
„Sihdi, die Wunde ist nicht so schlimm als dieses Ma-el-Zat. Paß auf, es wird mich im Augenblick umbringen!“
Ich hatte keine Lust, mich an dem weiteren Anblick des traurigen Djezzar-Bei zu weiden, und gab Josef, der mittlerweile aufgewacht und herbeigekommen war, den Befehl, die Tiere auf ein Reservefäßchen zu füllen, welches ich glücklicherweise bei mir führte. Dieses war nun jedenfalls vor den Angriffen Hassans sicher, der wohl nicht gleich wieder Appetit nach der Nuktha der Fröhlichkeit verspürte.
Wir brachen auf und setzten unsere Wanderung bis gegen Mittag fort, wo wir zu unserem Erstaunen auf dieSpur einer zahlreichen Karawane trafen.
„Allah akbar, Gott ist groß“, meinte Hassan, der sich bisher sehr kleinlaut verhalten hatte; „er dürstet nie und kennt alle Wege der Wüste; was aber will diese Kaffilah im Ghud, wo es kaum eine Quelle gibt, aus welcher zwei Tiere genug zu trinken bekommen?“
„Zählt die Spuren!“ gebot ich.
Wir fanden Eindrücke von Menschen-, Pferde- und Kamelfüßen. Die Djemmels waren meist schwer beladen; wir hatten also eine Handelskarawane vor uns. Eine genaue Übersicht ergab sechzig Lastkamele, elf Satteltiere und zwei Fußgänger nebst drei Reitern zu Pferde, welche uns die Gewißheit gaben, daß sich die Karawane verirrt haben müsse, denn
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