18 - Orangen und Datteln
hier gab es für mehrere Tagereisen nicht so viel Wasser, um ein einziges Pferd zu erhalten.
„Diese Kaffilah kommt aus Air und geht nach Safileh oder gar nach Tibesti“, bestimmte der Tebu.
„Dann hat sie sich einem sehr unwissenden Führer anvertraut, daß sie sich so außerordentlich weit verirren konnte.“
„Der Khabir ist nicht unwissend, Sihdi“, antwortete er mit einem eigentümlichen Lächeln um die aufgeworfenen Lippen. „Der Hedjahn-Bei nimmt in seiner Gum keinen Mann an, der die Wüste nicht kennt.“
Was konnte er meinen? Der Gedanke, welcher mir kam, war allerdings ungeheuerlich.
„Du denkst, der Khabir führt die Kaffilah in die Irre?“
„So ist es, Sihdi. Ein Khabir kann sich um einige Fußbreit des Schattens irren, doch er kann nicht das Bab-el-Ghud mit dem Safileh verwechseln. Wenn er etwas nicht genau weiß, so hat er seinen Schech el Djemali (Obersten der Kameltreiber), den er fragen kann. Sieh diese Darb, Sihdi; die Djemmels sind nicht gegangen, sondern sie haben sich nur noch geschleppt. Liegt hier nicht ein leerer Schlauch, der hart ist wie Holz? Die Kaffilah hat kein Wasser mehr. Der Khabir führt sie dem Hedjahn-Bei entgegen, und sie wird untergehen, wenn wir ihr nicht Hilfe bringen.“
„Dann vorwärts, ihr Leute, daß wir sie erreichen!“
Ich wollte forteilen, doch der Tebu ergriff das Halfter meines Kamels.
„Rabbena chaliëk, Gott erhalte dich, Sihdi, denn du gehst einer großen Gefahr entgegen, die du dir nicht mit den Augen deines Geistes angeschaut hast. Was wirst du dem Khabir sagen, wenn er dich fragt, was du im Sandmeer tust?“
„Ich werde ihm sagen, daß ich von Sehliet komme, um nach Dongola zu reisen, und mich verirrt habe. Oder ich werde ihm auch nichts sagen, wenn es mir beliebt. Die Gefahr, in welche mich dieser Khabir bringt, ist nicht so groß wie ein Nagel an der Sohle meines Schuhes; wenn ich auf ihn trete, muß er gehorchen. Hhein!“
Josef und Hassan hatten nicht so schnelle Tiere wie der Tebu und ich; ich bedeutete sie daher, uns langsamer zu folgen, während wir im raschen Trott vorausritten.
Die Kaffilah vor uns mußte wirklich sehr notleiden, denn hier und da fanden wir einen Gegenstand, welcher vor Müdigkeit oder aus Verzweiflung weggeworfen worden war. Die Eindrücke zeigten, daß die Bewegungen der Tiere immer müder und langsamer geworden waren, und besonders die Pferde schienen dem Umsinken nahe, denn sie hatten sehr oft gestolpert.
Da endlich sahen wir vor uns zwischen den Dünen einige weiße Kapuzen zum Vorschein kommen, und bald befanden wir uns bei den hinteren Reitern der Karawane, deren Tiere die müdesten waren und den andern nur sehr schwer zu folgen vermochten. Sie sahen bei unserem rüstigen Erscheinen freudig erstaunt auf und erwiderten mit neu erwachender Lebhaftigkeit unsern Gruß.
„Wer ist der Khabir dieser Kaffilah?“ fragte ich.
„Gib uns zu trinken, Sihdi!“ war die Antwort.
Ich hatte einen meiner großen Schläuche mit vorangenommen und reichte ihnen den verlangten Trunk. Augenblicklich hatte ich beinahe die ganze Kaffilah um mich versammelt, und alles begehrte Wasser. Nur zwei schlossen sich von dieser Bitte aus, ein Tuareg, welcher ein ausgezeichnetes Bischarinhedjihn ritt, und ein Beduine, welcher zu Fuß an der Spitze des Zuges gegangen war; ich vermutete in ihm den Schech el Djemali. Beide beobachteten mich mit halb erstaunten, halb finsteren Blicken.
Ich gab jedem nur so viel zu trinken, daß mein Schlauch für alle reichte, und wiederholte sodann meine Frage:
„Welcher unter euch ist der Khabir?“
Der Mann auf dem Bischarin kam herbei.
„Ich bin es. Was willst du?“
„Einen Gruß von dir. Hast du nicht vernommen, daß mein Mund die ganze Kaffilah grüßte und meine Hand jeden tränkte, der des Wassers bedurfte? Seit wann sind die Lippen des Gläubigen verschlossen, wenn ihm der Wanderer Heil und Frieden bietet?“
Der Tebu sah mich erstaunt an; er war tapfer, aber in diesem Ton hätte er vielleicht doch nicht mit dem Tuareg gesprochen. Die Augen des Khabir wurden noch größer als diejenigen des Tebu.
„Sal aaleïk“ – grüßte er kurz, grad wie der Bote, welchen der Karawanenwürger nach Algier geschickt hatte. „Wie viele Leben hast du, daß deine Zunge solche Worte spricht?“ fügte er stolz hinzu.
„Sal – aal – nur ein einziges, grad wie du, doch scheint es mir lieber zu sein, als dir das deinige.“
„Warum?“ brauste er auf.
Ich mußte einlenken.
„Weil du dich
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