180 - Der Schrei des Dämons
Nach unserem Sieg über den roten Tod hatten meine Freundin Vicky Bonney und ich ein erholsames Wochenende auf dem Land verbracht.
Ich fühlte mich wie eine aufgeladene Batterie, als wir zurückkamen. Bereit für neue Taten.
Mr. Silver empfing uns mit Kuchen und Tee. »Den habe ich selbst gebacken«, behauptete er stolz.
Ich musterte ihn erstaunt. »Seit wann kannst du denn backen?«
»Konnte ich immer schon.«
»Hoffentlich ist es kein Rezept deiner Großmutter«, sagte ich und massierte meinen Bauch, »Denn das würde mir wahrscheinlich nicht bekommen. Meine Magenwände sind nicht mit Silber beschlagen.«
»Das sieht dir ähnlich. Da will man dir was Gutes tun, und schon fängst du an zu motzen.«
Vicky beugte sich über den Kuchen, hielt ihr blondes Haar mit den Händen zurück und roch an Mr. Silvers Meisterwerk. »Sieht gut aus und riecht auch so.«
Mr. Silver strahlte sie an. »Möchtest du ein schönes großes Stück?«
»Kein großes«, antwortete Vicky. »Ich muß auf meine Figur achten. Ich fürchte, ich habe an diesem Wochenende mindestens drei Pfund zugenommen.«
»Aber an den richtigen Stellen«, stellte Mr. Silver lächelnd fest. »Na, was ist jetzt, Tony? Möchtest du auch ein Stück davon, oder soll Boram es vertilgen?«
»Wäre vielleicht die gesündere Lösung«, gab ich zurück.
Mr. Silver zog die Augenbrauen zusammen. Der finstere Blick seiner perlmuttfarbenen Augen durchbohrte mich. »Ich backe nie wieder für dich.«
»Ach, gib schon her und sei nicht gleich beleidigt. Aber serviere ihn am besten mit Kugelschreiber und Papier.«
»Wozu denn das?« fragte der Ex-Dämon irritiert.
»Damit ich nebenbei meinen Letzten Willen niederschreiben kann.«
Da war so ein »Na-warte-du-kommst-noch-in-meine-Gasse-Ausdruck« in den Augen meines Freundes, der mir sagte, ich müsse von nun an auf der Hut sein.
Mr. Silver verteilte den Kuchen und goß herrlich aromatischen Tee in die Tassen.
Ich hatte zuviel gestänkert, deshalb konnte ich sicher sein, daß Mr. Silver mein Kuchenstück irgendwie manipulieren würde. Er verfügte über übernatürliche Kräfte.
Vicky aß schon und war voll des Lobes. Klar, ihr hatte Mr. Silver ja nichts heimzuzahlen. Er musterte mich abwartend. »Möchtest du den Kuchen nicht auch endlich probieren, Tony?« Sein Ton hatte irgend etwas Scheinheiliges an sich.
Ich nahm die Gabel zur Hand und stach die linke Ecke ab.
Als ich es genau in Augenschein nahm und daran roch, fragte mich der Ex-Dämon: »Was hast du denn? Er ist ganz bestimmt nicht vergiftet - obwohl du eine kleine Prise verdient hättest.«
Ich gab mir einen Ruck, holte das Kuchenstück mit den Lippen von der Gabel - und schmeckte weder Senf noch Wagenschmiere. Ich war erstaunt und mußte mir eingesteheri, daß ich selten so etwas Leckeres gegessen hatte.
»Phantastisch!« rief ich begeistert aus. »Ich nehme alles zurück und behaupte das Gegenteil.«
Auch das nächste Stück, das ich - nun nicht mehr verkrampft - in den Mund nahm, schmeckte hervorragend.
»Silver!« tönte ich grinsend. »Du bekommst von mir das ›Goldene Backrohr‹ verliehen. Es tut mir leid, an deinen diesbezüglichen Fähigkeiten gezweifelt zu haben.«
Ich griff arglos nach meiner Tasse und führte sie zum Mund. Warm umschmeichelte der Tee meine Zunge - und wurde im nächsten Augenblick zu hochprozentigem Alkohol.
Das war Mr. Silvers Strafe!
Ich riß die Augen auf. Der »Tee« schien meine Schleimhäute aufzulösen. Er trieb mir Tränen in die Augen. Schweiß bedeckte meine Stirn, und ich japste nach Luft.
Vicky schaute mich erschrocken an. »Tony!«
»Ist mit dem Tee irgend etwas nicht in Ordnung?« fragte Mr. Silver harmlos.
Dieser Halunke! Ich sah ihm an, wie schwer es ihm fiel, sich das schadenfrohe Grinsen zu verkneifen.
»Ich habe mich nur verschluckt!« krächzte ich.
»Das haben wir gleich«, sagte Mr. Silver und hieb mir seine Pranke »freundschaftlich« zwischen die Schulterblätter. Ich hätte beinahe auf den Tisch gespuckt.
»Danke«, keuchte ich, als die Wirkung des Tees nachließ. »Dein rasches Eingreifen war wirklich sehr hilfreich.« Ich schob sicherheitshalber Kuchen und Tee von mir.
Das Läuten des Telefons kam mir gelegen. Ich begab mich zum Apparat.
Am anderen Ende war Winston Cara, ein Antiquitätenhändler. Sein Laden befand sich im Herzen von Soho, eine wahre Fundgrube für Leute, die alte Dinge liebten, aber nicht zuviel Geld dafür ausgeben wollten. Darüber hinaus konnte man bei Cara
Weitere Kostenlose Bücher