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1811 - Der Vogelmensch

1811 - Der Vogelmensch

Titel: 1811 - Der Vogelmensch Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jason Dark
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eines Menschen. Sie wiesen eher Ähnlichkeit mit denen eines Vogels auf. Allerdings waren die Beine normal. Davon ging sie aus, obwohl sie vom Stoff einer Hose bedeckt waren.
    Er sank weiter.
    Der nackte Oberkörper wies eine bräunliche Farbe auf. Woran das lag, wusste Carlotta nicht. Möglicherweise war es ein dünnes Fell oder winzige Federn, die diesen Pelz bildete.
    Dann tauchte das Gesicht auf. Carlotta war so gespannt, dass sie sich verkrampft hatte. Sie schwankte zwischen Furcht und Neugierde. Ihre Handflächen waren feucht geworden. Ihr Herz schlug immer schneller. Man konnte es schon als Rasen bezeichnen.
    Die Gestalt sank weiter. Jetzt musste sie einfach ihr Gesicht zeigen.
    Und sie zeigte es.
    Carlotta fing an zu lachen. Es war ein kurzes Gelächter der Erleichterung. Sie sah ein Gesicht und sie sah es trotzdem nicht, denn die Gestalt trug so etwas wie eine Maske. Sogar eine Atemmaske. Zwei große Augen aus Kunststoff fielen auf. Dahinter waren die normalen Augen zu sehen. Nicht mehr als dunkle Kreise. Ansonsten sah Carlotta nichts von diesem Gesicht, und das reichte ihr auch.
    Am Rücken des Körpers waren die mächtigen Flügel zusammengelegt. Sie ragten trotzdem noch über die beiden Schultern hinweg.
    Das waren Schwingen. Das waren nicht die Flügel eines feinstofflichen Engels. Die hätte man normal anfassen können, wenn man in ihrer Nähe gewesen wäre.
    Er hatte sein Ziel erreicht. Er tat nichts. Er stand nur vor dem Fenster und starrte hinein.
    Carlotta fragte sich, was dieser Besuch sollte. War er gekommen, um ihr etwas mitzuteilen, oder war er erschienen, um zu zeigen, dass es ihn gab? Dass sie nicht allein dieses Schicksal trug und es noch andere Personen gab.
    Sie konnte es nicht glauben. Sie war als einzige Person aus dieser Versuchsanstalt geflohen, andere hatten es nicht geschafft, doch das schien ein Irrtum zu sein. Eine andere Erklärung konnte sie sich jedenfalls nicht vorstellen.
    Der Vogelmensch blieb vor der Scheibe schweben. Er war vom Körper her so groß, dass er in das Zimmer hineinschauen konnte und das durch seine Maske.
    Carlotta war bis an die Tür zurückgewichen. Sie hatte Distanz zwischen sich und die Gestalt bringen wollen, aber besser ging es ihr dadurch auch nicht.
    Die Furcht blieb.
    Der Druck auch.
    Noch war sie froh, dass diese Gestalt nicht versucht hatte, durch das Fenster ins Haus einzudringen. Aber was nicht war, das konnte noch werden, und so wollte sie erst mal abwarten, wobei sie hoffte, dass Maxine Wells bald zurückkommen würde.
    Zeit verstrich.
    Beide taten nichts.
    Die eine Person saß im Zimmer, die andere schwebte vor dem Haus und glotzte durch das Fenster.
    Carlotta wusste nicht, wie lange sie es in dieser Stellung noch aushalten musste. Sie verspürte Durst. Zum Glück hatte sie die Flasche Apfelschorle mitgenommen. Sie stand auch in Reichweite, und so war Carlotta froh, sich wieder die Kehle anfeuchten zu können.
    Der Vogelmensch hockte auch weiterhin draußen. Dass es eiskalt war, schien ihm nichts auszumachen. Er hatte Zeit, er wartete ab, und Carlotta fragte sich schließlich, ob er die ganze Nacht an diesem Ort verbringen wollte.
    Aber nichts blieb, wie es war. Plötzlich erhob sich der Besucher. Er tat es sehr geschmeidig und reckte sich, bis er seine volle Größe erreicht hatte.
    Dann faltete er seine Flügel auf, und mit ein paar Bewegungen hob er vom Boden ab.
    »Wieso?«, flüsterte Carlotta und staunte. »Wieso zieht er sich jetzt wieder zurück?« Sie hätte ja froh darüber sein können, doch sie war innerlich zu aufgewühlt.
    Er war plötzlich weg!
    Und Carlotta stand da, schaute gegen das leere Fenster, schüttelte den Kopf und lachte. Zuerst leise, dann immer lauter, bis ihr die Tränen kamen und sie mit beiden Händen gegen ihre Oberschenkel schlug. Es war vorbei, sie hatte es hinter sich. Der Besucher war gekommen, hatte kurz nachgeschaut und war dann wieder verschwunden.
    Für immer?
    Daran glaubte das Vogelmädchen nicht. Nein, das hier war erst ein Anfang.
    Jedenfalls war sie froh, dass ihr nichts passiert war und der Vogelmensch auch nicht ins Haus hatte eindringen wollen. Der Kelch war an ihr noch einmal vorbeigegangen.
    Sie wartete noch einige Sekunden, bevor sie sich in Bewegung setzte und auf das Fenster zu schlich. Sie wollte sehen, ob diese Gestalt wirklich verschwunden war. So war nichts zu sehen, aber wie sah es aus, wenn sie das Fenster öffnete?
    Das tat sie. Lehnte sich hinaus und war froh, dass nichts passierte.

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