1827 - Das vergessene Grab
House.«
»Okay, dann weiß ich Bescheid, und viel Spaß.«
»Ha, ha …«
Ich konnte wieder anfahren und war froh darüber. Zu lange in einem Stau zu stehen macht keinen Spaß, und so rollte ich weiter nach Kennington hinein.
Auch hier war der Verkehr recht dicht, ich musste mich orientieren und hatte das Pech, dass ich das Heim auf dem normalen Weg nicht anfahren konnte. Ich musste einen Umweg nehmen, und der endete leider am Friedhof.
Hier hatte man ein Schild für die Besucher des Altenheims aufgestellt. Es wies auf einen schmalen Weg, der durch den Friedhof führte und in der Nähe des Heims endete.
Ich parkte meinen Rover und ärgerte mich darüber, dass ausgerechnet nahe des Heims die Straße aufgerissen worden war. Zwar nur für ein paar Meter, aber es kam zu diesem Umweg, der mich über den Friedhof führte.
Es war ein kleines und überschaubares Areal, das sich auch für kleine Spaziergänge eignete. Ich konnte mir vorstellen, dass mancher Heiminsasse hierher ging oder sich im Rollstuhl durch das Gelände schieben ließ. Der Friedhof selbst und auch die Gräber sahen nicht verwildert aus. Alles wirkte gepflegt, und die Natur präsentierte sich in einem frischen Grün.
Das Altenheim konnte ich gar nicht verfehlen, denn es war gut zu sehen. Das Dach überragte die meisten Bäume.
Der Wind hatte sich gelegt. Er wehte nur noch schwach. Trotz der Kühle brachte er den sommerlichen Geruch mit, der in meiner Nase kitzelte. Vögel tanzten durch die Luft, flogen von Baum zu Baum und zwitscherten hell.
Ich setzte meinen Weg fort und war schon ein wenig verwundert, dass mir kein Spaziergänger entgegen kam. Doch dann näherte sich auf einem Seitenweg eine Frau. Was sie mit sich selbst redete, war durch das Knirschen der Rollator-Räder auf dem mit Kies bedeckten Boden nicht zu verstehen. Sie kam von rechts, ich von links, und fast wären wir zusammengestoßen.
Im letzten Moment bremsten wir.
Die alte Frau schaute mich böse an. »Ha, immer die jungen Leute. Immer die.«
Ich hob die Arme halb an und breitete sie aus. »Also bitte, so jung bin ich auch nicht mehr.«
»Im Vergleich zu mir schon. Erzählen Sie mir nichts. Ich sehe das anders.«
»Gut.«
»Was wollen Sie hier überhaupt?«
Fast hätte ich gelacht, denn die Frau stellte Fragen wie ein Feldwebel, der kurz davor stand, einen jungen Rekruten zusammenzustauchen.
»Ich wollte ins Heim.«
»Dafür sind Sie noch zu jung.«
»Weiß ich. Ich möchte jemanden besuchen.«
»So ist das. Und dann kommen Sie über den Friedhof geschlichen?«
»Nun ja, geschlichen bin ich nicht eben. Es ging nur nicht anders. Vor dem Heim ist ja eine Baustelle.«
»Stimmt.«
»Danke.« Ich musste grinsen. Die Frau war auf ihre Art und Weise einfach herrlich.
Sie war sogar recht modisch gekleidet. Sie trug einen blauen halblangen Wollmantel, eine Kappe auf dem Kopf, die einen Großteil ihrer grauen Haare bedeckte, und hatte gelbe Handschuhe aus Schweinsleder übergestreift. Das Gesicht zeigte einen strengen Ausdruck. So konnte man sich eine Lehrerin vorstellen.
»Wen wollen Sie denn besuchen? Ich habe Sie im Heim noch nie zuvor gesehen.«
»Es ist auch eine Premiere.«
»Aha. Hat man einen Verwandten von Ihnen in diesen Knast gesteckt?«
»Nein, aber wieso Knast?«
»Das sage ich immer. Es mag sein, dass es Menschen gibt, die das anders sehen.«
»Bestimmt.«
»Und wen wollen Sie besuchen?«
»Einen Mann, der Bruce Burgess heißt.«
Au, da hatte ich was gesagt. Jetzt nahm ihr Gesicht einen nahezu gefährlichen Ausdruck an. »Was? Was?«, keifte sie nach einer Weile. »Diesen komischen Typen?«
»Wieso das?«
»Ach, das ist doch einer, der alles besser weiß.«
»Sie nicht?« Das war mir so rausgerutscht, und sie funkelte mich an.
»Ja, es stimmt. Aber hüten Sie Ihre Zunge, junger Mann. Wenn ich etwas behaupte, dann stimmt das auch. Ganz im Gegenteil zu dem, was dieser alte Sack sagt.«
Jetzt konnte ich mir das Lachen nicht mehr verkneifen. Da schien ja im Heim was los zu sein. Vielleicht ein Spiegelbild der Welt im Kleinen.
Ich fragte und musste dabei lachen: »Was sagt der alte Sack denn so?«
»Blödsinn.«
»Und weiter?«
Ihr Blick wurde lauernd. »Wollen Sie Einzelheiten wissen, Mister?«
»Wenn möglich.«
»Ha, warum sollte ich Ihnen die erzählen? Ich kenne Sie ja nicht. Ich sage Ihnen aber, dass er ein Spinner ist.«
»Warum?«
»Darum. Er redet immer von einer anderen Welt. Vom Tod, vom Jenseits und so weiter. Deshalb ist er für
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