1852 - Die Galornin
deinem Versteck, Tari", flüsterte sie fast lautlos. „Warte erst auf mein Zeichen.< Sie stand in der Mitte des Korridors und sah die sechs grell leuchtenden Punkte in der Luft, knapp vor dem Korridorende und der Tür. Diesmal hatte sie nur fünf Fehlversuche gehabt, das war bisher einmalig. Sie wußte nicht, wie viele Lichter sie mit ihrem Impulssender aktivieren mußte, aber sie hatte immer nur zwanzig „Schüsse", und genau elf davon waren jetzt aufgebraucht. Ihr blieben noch neun.
Das bedeutete, daß sie bereits keine Chance mehr hatte, wenn die noch zu aktivierenden Punkte des von ihr angenommenen Schlosses diese Zahl überstiegen.
Andernfalls aber ...
Lopt Zadheven kam näher, schlich sich an, von Nische zu Nische. Jetzt blieb er wieder stehen.
Kaif kostete es unsägliche Anstrengung, sich auf die Kombination zu konzentrieren, mit ihrem schlimmsten Feind im Rücken.
Die sechs grellen Punkte bildeten ein Muster. Kaif war schon dreimal bis hierher vorgedrungen und hatte wahllos Impulse in den Gang gesendet. Dabei hatte sie auch Punkte getroffen und zum Leuchten gebracht.
Beim letztenmal waren es vier Stück gewesen, und sie hatte schon geglaubt, das System ihrer Anordnung zu durchschauen, aber erst jetzt war ihr klargeworden, daß die Anordnung und damit die ihr zugrundeliegende mathematische Gleichung dreidimensional war.
Sie schloß für einen ganz kurzen Moment die Augen, rief sich die Reihenfolge ihrer Schüsse ins Gedächtnis zurück und sah wieder das System vor sich. Sie sah, wo der siebte Kontaktpunkt versteckt sein mußte ... und drückte die Kontaktfläche des faustgroßen Geräts in ihren blauhäutigen Fingern. Ein unsichtbarer, feiner Taststrahl fuhr in die Richtung der Tür und traf.
Fast hätte sie laut aufgeschrien. Ein wilder Triumph durchbrandete sie. Das siebte Licht flammte im Stollen auf. Die komplizierte Gleichung, die sie in ihrem Gehirn gebildet hatte, wurde bestätigt. Und das bedeutete ...
Kaif konnte sich nicht mehr beherrschen, auch wenn Lopt hinter ihr im Halbdunkel wieder ein Stück näher geschlichen kam.
Sie aktivierte das achte Licht, dann das neunte. Plötzlich war alles so einfach. Wenn die Gleichung des Eintrittskodes einmal begriffen war, war alles ein Kinderspiel. Hauptsache, sie besaß nicht mehr als noch sechs Komponenten. Und falls doch, dann würde sie es beim nächstenmal schaffen, mit neu aufgeladenem Impulssender. Und dann war sie endlich am Ziel, dann gehörte die Belohnung hinter der geheimnisvollen Tür ihr. Dann konnte niemand mehr ...
Diesmal schrie sie auf, und zwar grell.
Wie in Raserei geraten, hatte sie blitzschnell im Kopf kombiniert und mit der Hand die Impulse gegeben, ohne den Umweg über den Verstand. Und plötzlich geschahen zwei Dinge fast gleichzeitig. Sie folgten zu schnell aufeinander und überrumpelten sie, bevor sie alles begriff.
Elf Lichtpunkte brannten vor ihr in der Luft, verblaßten aber, als sich die Tür am Ende des Korridors öffnete. Sie verschwand einfach, und von dahinter brandete ihr blendende, goldene Helligkeit entgegen.
Eine weit in den Gang hallende Stimme sagte etwas in einem tiefen, würdevollen Ton, doch sie verstand die Worte nicht und wußte mit dem Ton nichts anzufangen. Denn in diesem Moment rauschte etwas von hinten heran, stieß sie aus dem Weg und lief vor ihr auf das Licht zu, auf die von ihr geöffnete Tür.
„Danke, du widerliches Biest!" rief Lopt Zadheven im Vorbeirennen. Sein stämmiger junger Knabenkörper schwankte heftig. „Du hast mir die Arbeit abgenommen!"
„Halt ihn auf, Tari!" schrie Kaif aus Leibeskräften. „Nimm keine Rücksicht!"
*
Tari löste sich aus dem Schatten der Nische, in dem sie sich direkt vor der Tür in der Korridorwand versteckt hatte, und warf sich Lopt mit dein ganzen Gewicht ihres Körpers entgegen. Tari Dnuurg war größer und breiter als er, dazu zweifellos einige Jahre älter. Die Kinder in der Stadt sprachen selten über ihr Alter, aber von allen, die zu Kaifs Umgebung zählten, war sie mit Sicherheit schon am längsten hier.
Vielleicht würde sie auch am längsten bleiben, denn sie war dumm und leicht zu manipulieren. Kaif jedenfalls tat sie jeden Gefallen für eine lächerlich geringe Belohnung - und sei es, ihre Feinde aus dem Weg zu räumen.
Tari kreischte vor Aufregung, als ihr Lopt genau in den klobigen Leib lief. Ihre Arme schlangen sich um den Hals des Jungen, während sie fiel und ihn mit sich riß. Dann lagen sie beide am Boden. Tari nahm
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