1889 - Gefangen in Terrania
Shabazza!
Gernot „Wiesel" Blume, der Kontracomputer-Interpreter der MERLIN, trat ein. Klein, dürr, mit einem Geiergesicht auf dünnem Hals, kam er mit wieseliger Hast heran, um mit atemloser Stimme zu verkünden, daß er eine geradezu unglaubliche Entdeckung gemacht hatte.
„Es geht um die Burg Gousharan", sagte er. „Wir haben weiteres Bildmaterial lesbar gemacht, und dabei sind wir auf etwas gestoßen. Es hat uns fast ‘umgehauen."
NULL „Wann werden wir uns melden, Taka Fellokk?"
„Nur noch ein wenig Geduld."
„Sie sind in Panik. Sie haben Raumschiffe herangezogen, die das Gebiet absichern."
„Ich weiß. Truppen marschieren vor der Barriere auf. Obwohl das lächerlich ist. Damit fielen sie schon einmal aufs Horn."
„Wir sollten ‘den Bogen dennoch nicht überspannen."
„Keine Sorge. Dies ist ein Spiel der Nerven, und ich werde beweisen, daß ich die besseren Nerven habe."
*
Cistolo Khan lehnte es ab, mit Solder Brant, dem Abgeordneten der Liberalen Einheit, zu reden, als dieser versuchte, ihn über Syntron zu erreichen, und ihm eine weitere Beschwerde androhte.
„Ich habe keine Zeit für solche Leute", wies er den Vorstoß des Mannes zurück, der offenbar noch immer unter dem Eindruck der Verletzungen und Demütigungen stand, die er während seiner Geiselhaft erlitten hatte.
Der LFT-Kommissar stand unter höchster Anspannung.
Mittlerweile war der 29. November 1289 NGZ angebrochen, und die Dscherro schwiegen nach wie vor.
Cistolo Khan hatte Spionsonden durch die Barriere geschickt. Sie hatten ‘Aufnahmen von der Burg Gousharan mitgebracht, die weitere Rätsel aufgaben.
Nicht ein einziger Dscherro war auf einer der zahlreichen Plattformen oder in einem der Eingänge zu sehen. Die Burg schien ausgestorben zu sein.
In den ersten Morgenstunden dieses Tages waren dann plötzlich Tausende von Dscherro und Robotern aus der Burg hervorgekommen und hatten alle NOVA-Raumer auf den Plattformen verankert oder in direkter Nähe zum Grund der Burg abgestellt. Sie waren annähernd drei Stunden mit dieser Arbeit beschäftigt gewesen, dann hatten sie sich wieder in das Innere der Burg zurückgezogen.
Seitdem hatte sich kein einziger von ihnen mehr blicken lassen.
Was hatten die Dscherro vor? Was hatte diese Vorgehensweise zu bedeuten?
„Ich fürchte, sie werden auf der Erde bleiben", sagte Cistolo Khan in einem Gespräch mit einem Mitarbeiter. „Sie könnten die Absicht haben, sich hier bei uns einzunisten. Dank der NOVARaumer, die wir ihnen überlassen mußten, haben sie die Macht dazu."
Er zog weitere Truppenverbände um das Faktorelement Terrania-Süd zusammen.
Das Leben von 9000 Geiseln stand auf dem Spiel. Cistolo Khan hatte sich nach hartem inneren Kampf dazu entschlossen, sie im Zweifelsfall zu opfern, falls die Dscherro wider Erwarten noch einmal aus ihrer Burg hervorbrechen und angreifen sollten.
„Melde dich, Taka Fellokk", sagte er beschwörend, wobei er seine Blicke auf den Syntron richtete, der pausenlos Signale an die Dscherro abstrahlte und sie damit aufforderte, Verbindung aufzunehmen. „Laß mich endlich wissen, was du vorhast!"
Doch Taka Fellokk verweigerte sich ihm und schwieg weiterhin.
Was waren seine Ziele? Was versprach er sich davon, wenn er Terrania City ein zweites Mal angriff, obwohl die Stadt bereits in Trümmern lag?
Oder plante er, vom Faktorelement Terrania-Süd aus, eine der Millionenstädte anzugreifen, die in erreichbarer Nähe lagen? Vielleicht Shanghai, Hongkong, Chengdu, Tokio, Kalkutta oder Delhi?
„Versuch es nur!" preßte der LFTKommissar zwischen den Zähnen hervor. „Du wirst dein Waterloo erleben!"
*
„Du hast es überlebt, Astra, das ist vorerst das wichtigste", tröstete Katie Joanne die Hauptgesellschafterin von SolTel.
Astra Hossaiini blickte sie mit tief in den Höhlen liegenden Augen an.
„Ich hasse sie", flüsterte sie und griff nach der Hand der Journalistin. „Können wir denn gar nichts tun, um es ihnen heimzuzahlen?"
„Wir beide schon gar nicht", lächelte Katie. „Vielleicht unternimmt Cistolo Khan etwas. Belaste dich nicht damit. Sieh zu, daß du schnell gesund wirst!"
Sie erhob sich, doch Astra ließ ihre Hand nicht los.
„Wohin gehst du?"
„An meinen Arbeitsplatz, so, wie es in meinem Vertrag steht", antwortete die Journalistin. „SolTel wartet auf mich."
Sie verabschiedete sich, verließ das Krankenzimmer und startete wenig später mit einem Gleiter, den sie aus den Beständen des Fernsehsenders
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