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19 - Am Jenseits

19 - Am Jenseits

Titel: 19 - Am Jenseits Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karl May
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Dies ist der Fall, obwohl in fast jeder mohammedanischen Stadt von besonderen Beamten, welche Nakyb el Eschraf heißen, Listen über die zu diesem Titel berechtigten Familien und Personen geführt werden, welche alljährlich mit der großen Pilgerkarawane nach Mekka gebracht und dem dortigen Großscherif zur Ansicht und Bestätigung vorgelegt werden. Er ist der Stammfürst sämtlicher Nachkommen des Propheten, der Statthalter von Mekka und oberster Hüter der Kaaba und sämtlicher Heiligtümer und bekommt jährlich vom Sultan reiche Geschenke geschickt. Das Scherifat ist eigentlich nur eine geistliche Auszeichnung oder Würde, und ein Scherif soll durch seine direkte Abstammung von Mohammed nicht weltliche Vorteile genießen, aber in der mohammedanischen Welt dominieren in jeder Beziehung die geistlichen Verhältnisse, und so glauben auch die Eschraf das Recht zu haben, in Beziehung auf die materiellen Güter ebenso wie in geistlicher Hinsicht den Nichtabkömmlingen des Propheten weit voranzustehen. Diesen Standpunkt nimmt besonders der Großscherif, der Scherif el Eschraf ein. Er dünkt sich, nicht niedriger zu stehen als der Sultan, der doch der Kalif, also der Oberhirt und Beherrscher aller Gläubigen ist, und die Geschichte hat schon wiederholt Beispiele davon gebracht, daß der Herr der Kaaba gar wohl imstande ist, dem Padischah die Faust zu zeigen, zumal der Weg von Stambul nach Mekka ein weiter ist und es also seine Schwierigkeiten hat, die Zügel zwischen dort und hier so straff zu halten, wie es eigentlich geschehen sollte. Den Millionen mohammedanischer Pilger, welche nach Mekka und Medina kommen, erscheint der Großscherif näher als der von den Heiligtümern so ferne Sultan, und so ist es nicht zu verwundern, daß sie glauben, mehr unter der Macht und dem Einflüsse des ersteren als des letzteren zu stehen.
    Dies also ist über den Großscherif zu sagen, dessen Liebling sich el Ghani genannt hatte. Obwohl ich nun annahm, daß diese Bezeichnung auch in der bekannten orientalischen Übertreibung gebraucht worden war, so mußte etwas Wahres doch daran sein. Er stand in irgendeiner Beziehung zu dem Beherrscher derjenigen Orte, welche ich besuchen wollte, obgleich mir dies als Christen bei Todesstrafe verboten war, und konnte mir bei jeder ihm beliebigen Gelegenheit Fallstricke legen, denen trotz aller Vorsicht, aller Klugheit und auch allen Mutes nicht zu entgehen war. Und das hatte ich dann der Unüberlegtheit Halefs zu verdanken, dessen heißgeliebte Peitsche in Bewegung gesetzt worden war, obgleich der grüne Turban, den El Ghani trug, bewiesen hatte, daß er auch zu den Abkömmlingen Mohammeds gehörte, deren Beleidigung zehnfach gefährlicher als jede andere ist. Mit der sehr kräftigen, aber doch bloß wörtlichen Zurückweisung der Arroganz des Mekkaners durch den Hadschi war ich vollständig einverstanden gewesen, weil dies kein unberechtigter, zur Rache herausfordender Angriff, sondern eine sehr berechtigte Abwehr gewesen war; aber Prügel mit der Peitsche, einem Araber, welcher die Würde eines Scherif bekleidete, das war eine Übereilung, mit welcher ich unmöglich einverstanden sein konnte. Ich nahm daher die Gelegenheit wahr, dem Hadschi zu folgen, als er vor dem Schlafengehen noch einmal nach seinem Pferd sah. Da waren wir allein. Mein ununterbrochenes Schweigen hatte die beabsichtigte Wirkung nicht verfehlt. Er empfing mich mit den Worten:
    „Du bist zornig auf mich, Sihdi, weil ich diesem hochmütigen Menschen meine Karbatsch (Peitsche) zu schmecken gegeben habe?“
    „Natürlich! Wunderst du dich vielleicht darüber?“ antwortete ich.
    „Nein; aber er hatte es verdient.“
    „Die Klugheit verbietet sehr häufig, den Menschen nach dieser Art von Verdienst zu behandeln! Du hättest schon unsere Namen nicht sagen dürfen; es wär auf alle Fälle besser, wenn er über uns im unklaren blieb. Aber du mußt jedem unbekannten Menschen gleich sagen, was für ein berühmter Kerl du bist!“
    „Bin ich das etwa nicht?“
    „Nein!“
    „Aber du?“
    „Auch nicht. Wir sind in gewissen Gegenden bekannt; das ist alles. Wir beide brauchen uns gar nichts einzubilden; es gibt überall Hunderte und Tausende von Menschen, die noch ganz andere Kerls sind, als du und ich! Du aber denkst, ein Scheik der Haddedihn und ein hier im Orient herumkrabbelnder abendländischer Dudi el Kutub (Bücherwurm) seien die hervorragendsten und gewaltigsten aller Erdenbewohner, weil sie einmal einen Löwen geschossen haben

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