19 - Am Jenseits
bekannt, daß er mir jetzt nur Verlegenheiten, wenn nicht noch mehr, bereiten konnte. Halef machte da in seiner eigenartigen Weise die Bemerkung:
„Da siehst du, Sihdi, wie sehr wir beide den großen berühmten Beherrschern der Erde gleichen: Wir müssen den Abglanz unserer Herrlichkeit hinter einem fremden Namen verstecken. Zwar ist das dieses Mal nicht auch bei mir, sondern nur bei dir der Fall, aber wie du dich in meinen Strahlen sonnen darfst, so muß auch mich der wohltätige Schatten deines Madschhul (Inkognito) treffen. Wie aber sollen wir dich nennen? Hast du vielleicht schon über einen andern Namen nachgedacht?“
„Nein. Es handelt sich auch nicht nur um den Namen.“
„Ja, richtig. Wir müssen auch wissen, wie wir zu antworten haben, wenn wir gefragt werden, was du bist.“
„Am einfachsten wäre es, mich für einen Haddedihn auszugeben.“
„Nein, das geht nicht, Sihdi, denn da würde deine Herrlichkeit so vollständig verschwinden, daß sie später vielleicht gar nicht wiederzufinden wäre. Auch will ich stolz darauf sein können, daß du bei uns bist; darum müssen wir dir einen Namen und eine Würde erteilen, welche unbedingt zur Achtung fordern. Am besten ist es, wir geben dich für einen großen Gelehrten aus. Ist dir das recht?“
„Ja.“
„Woher bist du?“
„Aus irgendeinem mohammedanischen Lande, aber ja nicht aus einer Stadt, weil jeder, der von dort nach Mekka kommt, diesen Gelehrten kennen müßte.“
„Erlaubst du, im fernen Maghreb (westliche Sahara), welcher meine Heimat ist, geboren worden zu sein?“
„Ja.“
„Du hast dort im Wadi Draha das erste Licht der Welt erblickt?“
„Sehr gern!“
„Und von welcher Art ist deine Gelehrsamkeit?“
„Das überlasse ich dir, lieber Halef.“
„Gut! Weil du so bescheiden bist, werde ich dich sehr hoch erheben. Du beschäftigst dich nämlich gar nicht mit einer einzigen Art der Wissenschaft, sondern deine unendliche Weisheit ist in die Höhen und in die Tiefen aller Ulum (Wissenschaften) eingedrungen. Oder ist dir das noch zu wenig?“
„Es genügt einstweilen.“
„Schön. Ein solcher Mann muß sehr berühmte Ahnen und also einen langen Namen haben. Ich werde dir ihn jetzt diktieren. Schreib ihn sogleich auf, damit wir ihn festhaben und ihn auswendig lernen können!“
Ich folgte mit stillem Vergnügen dieser seiner Aufforderung. Er ging sinnend hin und her und brachte nach und nach, Glied für Glied, folgende Schlange zum Vorscheine:
„Hadschi Akil Schatir el Megarrib Ben Hadschi Alim Schadschi er Rani Ibn Hadschi Dajim Maschhur el Azami. Ich hoffe, daß dieser schöne Name deinen Beifall hat!“
In deutscher Sprache würde die Riesenschlange heißen: Hadschi Vernünftig Klug, der Erfahrene, Sohn des Hadschi Weise, Tapfer, der Reiche, Sohn des Hadschi Unsterblich, Berühmt, der Herrliche. Das war doch wohl mehr als genug? Dennoch hatte er noch ein übriges getan und mir und meinen mir bisher völlig unbekannten Vorfahren den Ehrentitel Hadschi verliehen. Mehr konnte ich doch unmöglich verlangen! Trotzdem antwortete ich, natürlich nur in der Absicht, ihn zu necken:
„Du scheinst zu glauben, mich mit ihm sehr zufriedengestellt zu haben, irrst dich aber; er könnte länger und besser sein!“
„Länger – – – besser – – –?!“
Sein Mund blieb vor Verwunderung offen. Er sah mich eine Weile mit großen Augen an und brach dann zornig los:
„Wie – wie könnte er sein? Länger könnte er sein, und besser könnte er sein? Soll ich ihn etwa von hier bis hinauf zum Monde und dann wieder herunter dehnen? Soll ich alle sieben Himmel Mohammeds plündern, um noch mehr Worte der Pracht und der Erhabenheit für dich zusammenzustehlen? Wie kommst du zu dieser mich beleidigenden Unzufriedenheit. Hast du den Namen bei mir bestellt, oder habe ich ihn dir freiwillig, also aus eigenem Antriebe, gegeben?“
„Freiwillig.“
„Hast du ihn mir bezahlt, oder wirst du ihn bezahlen?“
„Nein.“
„Du mußt also zugeben, daß er ein Geschenk von mir ist?“
„Ja.“
„Gut, so hast du deine Undankbarkeit in ihrer ganzen kolossalen Größe eingestanden! Ich mache dir aus eigenem Antriebe, aus der Tiefe meines freigebigen, mildtätigen Herzens heraus einen neuen Namen, den du brauchst, zum Geschenk! Ich suche in allen Winkeln und Ecken der menschlichen Sprachfertigkeit herum, um das Beste, was dort hingelegt und an den Wänden aufgehängt worden ist, herauszufinden! Ich wähle die glänzendsten
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