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19 - Am Jenseits

19 - Am Jenseits

Titel: 19 - Am Jenseits Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karl May
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Liebe zu ihr schien gewachsen zu sein.
    Sie war aber auch – ich möchte mich so ausdrücken: eine Prachtfrau! Ich glaube nicht, daß eine andere den kleinen, voll bunter Raupen steckenden Hadschi so richtig behandelt hätte, wie sie es tat. Sie beherrschte ihn vollständig, doch mit einer so liebevollen, stets freundlichen, scheinbar nachgebenden Klugheit, daß er ihr Pantöffelchen gar nicht fühlte und auch nicht die geringste Ahnung davon hatte, daß nicht er, sondern eigentlich sie der Scheik des Stammes war, wobei sich die Haddedihn allerdings sehr wohl befanden.
    Eine seiner Eigentümlichkeiten war, daß er sich nicht nachhaltig in die Verhältnisse des Abendlandes denken konnte. Ich hatte es ihm in unzähligen, verschiedenen Bildern beschrieben, hatte ihm die zwischen dem europäischen und dem orientalischen Leben vorhandenen Unterschiede bei tausend Gelegenheiten geschildert, sah aber nicht den geringsten Erfolg davon. Er sprach trotzdem immer von meinen Zelten, von meinen Kamelen und von meinen Dattelpalmen. Eine weitere Eigenheit von ihm war, daß er gern sprach, besonders sehr gern erzählte, und zwar in jenen orientalischen Redeblumen, welche gern zu Übertreibungen werden. Wenn ich ihn in dieser Weise sprechen lasse, ohne seine Vergrößerungen auf das richtige Maß zurückzuführen, so geschieht dies, um ihn nach der Wahrheit zu zeichnen, keineswegs aber um mich mit seiner Ausdrucksweise einverstanden zu erklären. Besonders wenn er von unsern Erlebnissen erzählte, nahm er den Mund in einer Weise voll, daß ich ihn häufig unterbrechen mußte. Der Orientale freilich ist das so gewöhnt, daß er gar nichts Auffälliges daran findet.
    Seit er wußte, daß ich verheiratet war, sprach er gelegentlich auch von meinem ‚Harem‘, von meinem Frauenzelte. Emma, den Namen meiner Frau, hatte er in Emmeh umgemodelt, und es verstand sich bei ihm ganz von selbst, daß die Verhältnisse dieser meiner Emmeh ganz genau dieselben wie diejenigen seiner Hanneh seien. Mein Harem durfte nicht den geringsten Vorzug vor dem seinigen besitzen, und durch die leiseste Andeutung eines Vorteiles des meinigen vor dem seinigen konnte ich ihn, wie man sich auszudrücken pflegt, fuchsteufelswild machen.
    Zu erwähnen darf ich nicht vergessen, daß er sich früher alle mögliche Mühe gegeben hatte, mich zum Islam zu bekehren; aber die von ihm damals nicht geahnte Folge davon war, daß er jetzt Isa Ben Marryam (Jesus, Mariens Sohn) hoch über Mohammed stellte; er war in seinem Innern Christ geworden und nicht nur seine Hanneh, sondern auch die meisten Haddedihn mit ihm.
    Unsere früheren Reisen hatten wir meist allein oder doch mit nur geringer, gelegentlicher Begleitung unternommen; dieses Mal aber befanden wir uns in größerer Zahl beisammen, und das war folgendermaßen gekommen:
    Der Araber ist der Ansicht, daß die Ehre um so größer sei, je länger der Name ist; darum pflegt er seinem Namen diejenigen seiner nächsten Vorfahren anzuhängen. So nannte sich Halef, als ich ihn kennen lernte, Hadschi Halef Omar Ben Hadschi Abul Abbas Ibn Hadschi Dawuhd al Gossarah. Sein Vater hatte also Abul Abbas und sein Großvater Dawuhd al Gossarah geheißen. Ihnen beiden und auch sich selbst gab er den Titel Hadschi, welcher einen Mohammedaner bezeichnet, der in Mekka gewesen ist. Dabei aber war weder er selbst noch sein Vater oder sein Großvater jemals dort gewesen. Später kamen wir allerdings einmal nach dieser heiligen Stadt des Islam, aber nur für kurze Zeit; ich wurde als Christ erkannt, mußte fliehen und kam glücklicherweise mit dem Leben davon.
    Seit jener Zeit war es einer meiner größten Wünsche, noch einmal nach Mekka zu gehen. Ich war erfahrener als damals, geübter in der Sprache und bewanderter in den Umgangsformen. Ich kannte jetzt die religiösen Gebräuche und alle darauf bezüglichen Maßregeln und Äußerlichkeiten so genau, daß ich gewiß sein konnte, für einen Mohammedaner gehalten zu werden. Erst jetzt sah ich es ein, welche Verwegenheit es damals von mir gewesen war, eine Stadt zu betreten, in welcher jeden Christen der fast sichere Tod erwartet, und um so reger wurde das Verlangen, es mit dieser Gefahr noch einmal, und zwar besser vorbereitet, aufzunehmen. Ich hatte den Islam und den größten Teil der von seinen Bekennern bewohnten Länder kennen gelernt; ich war zweimal in Kaïrwan gewesen, der den Christen damals auch streng verbotenen heiligen tunesischen Stadt, und hatte das Wagnis glücklich

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