190 - Der Finder
flüsterte Daa’tan. Er traute seinen Augen kaum.
»Grao!« Er schrie wie von Sinnen. »Hier bin ich, Grao!«
Mit wehendem Umhang stürmte der Daa’mure der roten Kriegerin entgegen. Die drehte sich um, stieß einen Kampfschrei aus und griff das Echsenwesen an. Hinter einem Vorhang aus herabregnenden glühenden Blättern und brennenden Zweigen verfolgte Daa’tan den Kampf. Er währte nur wenige Atemzüge lang. Grao’sil’aanas Axt traf Cantalics Knie. Sie knickte ein, und während sie zu Boden ging, schlug der Daa’mure ihr den Kopf ab.
»Ja!« Daa’tan sprang auf. »Ja, ja, jaaa!« Er rannte zum Kampfplatz, wich seinem Meister aus, der nach ihm zu greifen versuchte, und endlich beim Torso der Kriegerin angekommen, bückte er sich und nahm der Toten sein Schwert aus der schlaffen Hand.
(Wirst du wohl zu mir kommen!) Fordernd und tadelnd drängte sich Grao’sil’aanas Befehl in seine Gedanken.
Daa’tan richtete sich auf. Die Menge der Krieger und Kriegerinnen brüllte auf. Der Tod ihrer Anführerin stürzte sie in verzweifelte Wut.
Kampfgeschrei und Wehklagen auf den Lippen, stürmten sie heran.
Daa’tan wich erschrocken zurück. Grao’sil’aana packte ihn.
(Eigensinniger Bastard! Her mit dir!) Der Daa’mure riss den Jungen hoch und drückte ihn an seine Brust.
Inzwischen standen auch die Hütten rund um den Dorfplatz in Flammen. Der Wind hatte die Funken aus den brennenden Bäumen in ihr Dachgebälk getrieben. Nicht nur von bewaffneten und todesmutigen Kriegern waren der Junge und der Daa’mure jetzt umzingelt, sondern auch von brennenden Hütten. Keinen Fluchtweg sah Daa’tan, nirgendwo, nur schreiend heranstürmende Menschen, und Axt-, Speer- und Schwertklingen über ihren Köpfen, die im Feuerschein blitzen.
Aus den Baumkronen stürzten jetzt immer stärkere Äste brennend herab. Viel zu gefährlich, noch länger hier zu stehen. Daa’tan schrie vor Angst. »Was jetzt, Grao? Wohin jetzt?« Er blickte auf zu seinem Beschützer und Meister.
Dessen Gestalt verformte sich. Auf der linken Seite stülpten sich sieben oder acht Tentakel aus, auf der linken bildete sich ein Fleischlappen wie eine Schlafdecke so groß. Er schlang sich um Daa’tan und wickelte ihn ein, bis nur noch Nase und Augen frei waren. Drei Schritte, und Grao’sil’aana stand unter dem höchsten der brennenden Bäume.
Mit den Tentakeln umschlang Grao’sil’aana einen tief hängenden Ast und zog sich hoch. Flink wie ein ans Leben im Baum gewöhnte Tier stieg er ins brennende Geäst des Baumes hinauf.
»Was tust du?«, kreischte Daa’tan. »Da oben sind wir verloren, da ist nichts als Feuer!«
Grao antwortete nicht. Durch Glut, Rauch und Flammen kletterte der Daa’mure höher und höher in die Krone hinein. Unten rotteten sich die Krieger und Kriegerinnen zusammen. Sie schrien und fluchten, und einige warfen Speere nach oben oder schossen Pfeile ab. Drei trafen Grao’sil’aana im Rücken und einer ins Bein. Er kümmerte sich nicht darum.
»Du drückst mir die Luft ab!«, brüllte der im Hautlappen eingewickelte Daa’tan. Der Junge versuchte zu strampeln, versuchte sich zu winden, doch Grao’sil’aana wickelte ihn nur noch fester in seine Körpermasse ein. So kletterte er höher und höher, stieg durch die Flammen bis zur Spitze der Baumkrone hinauf. Dort brannte das Geäst so heftig und quoll der Rauch so dicht, dass er den Lappen aus seinem Körpergewebe auch noch über Augen und Nase des Jungen ziehen musste. Daa’tan schrie und gab erst Ruhe, als ihm die Luft auszugehen drohte.
Unten, zwischen den Stämmen, standen sie, schwangen die Fäuste und brüllten oder schossen Pfeile zu ihnen herauf in die Baumkrone.
Keiner traf mehr, kam auch nur in ihre Nähe. Als ein mächtiger Ast brennend durch eine der Kronen krachte und in der Menge der Krieger einzuschlagen drohte, flüchteten sie schreiend.
Grao’sil’aana aber richtete sich auf einem schwankenden Ast auf und steckte den Kopf aus der Krone. Er gab das Gesicht des Jungen wieder frei, der keuchend nach Luft schnappte.
Ein Rauschen näherte sich, ein Schatten schoss durch den Nachthimmel, und dann schwebte etwas wie eine riesige Matte heran. Tentakel peitschten herab, umschlangen den Daa’muren und wirbelten ihn hoch. Der skurril verformte Grao’sil’aana landete auf einer Schwinge dieses Etwas , robbte bis zu seiner Körpermitte, und der Todesrochen schraubte sich über den brennenden Bäumen in den Nachthimmel hinauf.
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Die Anangu und die
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