190 - Der Sohn des Vampirs
entstammte den tiefsten Tiefen der Hölle. Er kam aus einem Gebiet, in dem ewige Finsternis herrschte, und bot einen ziemlich einfarbigen Anblick, Sein zotteliges, langhaariges Fell war farblich schwer zu definieren. Man konnte es mit einem verwaschenen Grün ebenso vergleichen wie mit einem verschmierten Gelb. Saftloses Moos sah so aus, und in Wäldern bot ihm diese eigenartige Färbung eine hervorragende Tarnung.
Der Krieger trank laut schlürfend aus dem Teich, der sich unterhalb eines kristallklaren Quells ausbreitete.
Schwer und breit ragte Calumorg hinter ihm auf. Der Uralt-Vampir war nicht wählerisch - er trank Blut jeder Farbe. Ob es nun rot oder schwarz war, war ihm ziemlich egal. Hauptsache, es war warm, flüssig und reichlich!
In der ewigen Finsternis hatte es keinen Tag gegeben, dort hatte ständig Nacht geherrscht, und Calumorg hatte sich nie zur Ruhe begeben, weil die Opfer in diesem Bereich dünn gesät gewesen waren. Ruhelos war er immerzu auf der Suche nach einem Wesen gewesen, das er töten konnte. Niemand begab sich freiwillig in diesen schwarzen Winkel der Hölle, deshalb hatte ihn Calumorg eines Tages verlassen, weil er das ständige Darben satt hatte.
Hier schlief er am Tag, wie es nahezu alle Vampire taten, und erhob sich erst, wenn es anfing zu dämmern.
Von seinem alten Gesicht war nicht viel zu sehen. Strähniges, borstiges Haar umrahmte es seitlich, und ein dichter, wilder Bart bedeckte die untere Hälfte.
Lange weiße Vampirhauer bogen sich unter dem drahtigen Oberlippenbart hervor. Sie waren so hart, daß sie selbst den Panzer von geschuppten Höllenwesen durchbohren konnten.
Seit Calumorg in diesen anderen Lebensbereich übergewechselt war, fand er mehr Opfer, die er mit einem blitzschnellen Biß töten und aussaugen konnte.
Diesmal würde er das Blut eines ganz besonderen Wesens bekommen, das spürte er. Dieser Teufel verfügte über eine starke magische Ausstrahlung.
Daß sein Opfer ihn damit »witterte«, wußte er nicht.
Der kräftige Teufel griff unbemerkt zur Waffe, einem großen Schwert mit geschwungener Klinge, auf deren Rücken sich eine Krone befand, und als Calumorg sich auf ihn stürzen wollte, schnellte er mit einem lauten Kampfschrei hoch und fuhr mit gezogenem Schwert herum.
Calumorg riß die Augen auf, als er sah, mit wem er es zu tun hatte.
Das war Loxagon, der Teufelssohn, und in seiner starken Hand hielt er Shavenaar, das Höllenschwert, eine lebende Waffe!
***
Vicky Bonney brachte Karen Gray mit dem Wagen nach Hause. Das war nicht weit. Karen wohnte in einem fünfstöckigen Gebäude mit Baikonen.
Daß ihnen der unheimliche Mann mühelos bis hierher gefolgt war, ahnten die Mädchen nicht.
»Möchtest du sehen, wie ich wohne?« fragte Karen.
»Sehr gern«, antwortete Vicky.
Sie fuhren mit dem Fahrstuhl zur 5. Etage hoch.
Karens Wohnung war geräumig und modern eingerichtet. Vickys Freundin war Modezeichnerin, einer der Räume diente ihr als Atelier.
Vicky schaute sich die Fotografien an, die auf einer weißen Kommode standen. Karen erklärte, mit wem sie darauf zu sehen war. Ein einziges Bild zeigte sie mit ihrem Mann, einem sonnengebräunten schwarzhaarigen Pomadetyp, auf den Vicky niemals hereingefallen wäre.
»Ein Bild aus glücklichen Tagen«, sagte Karen mit einem nostalgischen Lächeln um die vollen Lippen. »Das war am Anfang unserer Beziehung, damals bemühte sich Mort in einer so rührenden Weise um mich, daß ich mich seinem Charme einfach nicht entziehen konnte. Wie er wirklich war, erfuhr ich erst in der Ehe. Diese Fotografie soll mich daran erinnern, daß es auch eine schöne Zeit mit Mort Caine gab.«
Der Mann, der ihnen gefolgt war, kletterte wie ein Zirkusartist von einem Balkon zum anderen und erreichte schließlich unbemerkt den fünften Stock.
Er trat an die geschlossene Tür und beobachtete die beiden Mädchen. Seine gepflegten Hände veränderten sich, wurden sehnig und hart, und die Fingernägel begannen zu wachsen.
Er kratzte damit erregt - über die Hauswand.
Vicky Bonney hatte ein scharfes Gehör. Sie nahm das Geräusch wahr, stellte das gerahmte Foto an seinen Platz, schaute Karen an und fragte: »Was war das eben?«
Karen Gray zuckte mit den Schultern. »Ich habe nichts gehört.«
Vickys Blick richtete sich auf die Balkontür. »Es kam von dort.«
Karen schmunzelte. »Vielleicht gibt uns ein Fassadenkletterer die Ehre.« Sie ahnte nicht, wie nahe sie mit ihrem Scherz der Wahrheit war.
Vicky begab sich zur
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