1900 - Thoregon
einen einzigen Geschlechtsakt vollzogen, mit unbekanntem Ergebnis, und allein war Viviaree nicht fortpflanzungsfähig. Aber dann ließ er sich aus der Schleuse treiben.
Er sank auf den Ozean nieder und wartete geduldig ab. Irgend etwas würde passieren, was es auch immer war.
Nach wenigen Minuten tauchte aus den Fluten eine Kontur. Es sah aus, als befände sich mitten im blauen Ozean ein Fisch. Unmöglich, dachte Tautanbyrk. Er starrte den stromlinienförmigen Leib mit der flachen Schwanzflosse fassungslos an.
Das Wesen besaß in seinen Augen eine schwer zu beschreibende Schönheit. Es hatte jedoch einen starren Blick, der ihn an die Augen eines Makrokörpers erinnerte.
Und dann sprach er mit dem Fisch.
Tautanbyrk lauschte den Worten, obwohl er den Inhalt zu Anfang nicht verstehen konnte.
Er sah am Rücken des Wesens plötzlich eine Klappe offenstehen. In einem Hohlraum des Fisches befand sich eine metallene Lade, darin die Seele eines Baolin-Nda. „Viviaree, kannst du mich hören?" fragte er fassungslos über die Funkverbindung. „Tautanbyrk! Was geschieht da?"
„Hier unten ist ein Baolin-Nda mit Namen Temperou. Er nennt sich das Gewissem. Und er ... nun, er will anscheinend, daß ich ihn zu mir nehme."
So unverhofft, wie der Heliote nach Terra gekommen war, verließ er die Heimat der Menschen wieder. Das Wesen aus Licht hatte zu jedem Menschen gesprochen und niemanden vergessen. Drängende Fragen stiegen in der Folge auf. War der aktuelle politische Kurs, der die Erhaltung der Macht in der Milchstraße bezweckte, tatsächlich der richtige? Den Menschen wurde deutlich gemacht, daß sie ihr Leben ohne ein wirkliches Ziel verstreichen ließen.
Jedoch, der Besuch des Helioten brachte nicht allein Zweifel zu den Menschen, sondern auch neue Hoffnung. Das Wesen hinterließ eine Art Charta, eine Zusammenfassung der Ziele der Koalition.
Die Thoregon-Agenda:
1. Thoregon schützt Leben und Kultur seiner Mitglieder.
2. Der einzelne ist soviel wert wie das Kollektiv. Das Wohl des einzelnen soll nicht für übergeordnete Ziele geopfert werden.
3. Thoregon streitet für Frieden.
Im öffentlichen Leben erlangte die Thoregon-Agenda zunächst keinerlei Bedeutung. Zu offensichtlich waren die Schwachpunkte der Charta. Jeder Terraner hatte selbst miterlebt, daß Thoregon Leben und Kultur seiner Mitglieder nicht wirksam schützen konnte. Doch die Stimmen mehrten sich von Tag zu Tag, die eine Rückkehr zu Träumen und zu Idealen forderten. Die Thoregon-Agenda war kein Gesetz, sondern sie war ein fernes Ziel.
In den zurückliegenden Jahrzehnten hatte die Menschheit deutlich Position gegen Perry Rhodan bezogen. Die Unsterblichen, so hieß es, hatten seit vielen hundert Jahren immer nur Krieg und Bedrohung ins Solsystem gebracht. Aber auch dieser Standpunkt würde einer Revision bedürfen.
Bereits damals konnte kein ernsthafter Zweifel bestehen, daß die Menschheit sich im Innersten entschieden hatte. Das sechste Thoregon-Volk und der Sechste Bote von Thoregon mußten zueinanderfinden, und es war klar, daß der Prozeß ein langer und schmerzhafter sein würde.
(Aus: Hoschpians unautorisierte
Chronik des 13. Jahrhunderts NGZ;
Kapitel 1.1.1. Einleitung)
ENDE
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