1909 - Der Bebenforscher
Passageticket, und bestehlen wollte er auf Jembers niemanden. Also blieb ihm nur der Flug als blinder Passagier.
Er wanderte halb um das Gelände herum.
Ein kleines Stück Wald rückte bis auf wenige Meter an das Areal des Hafens heran. Einige ausladende Äste reichten weit über den Maschenzaun hinweg. „Perfekt ...", murmelte er. „Niemand in Sicht."
Eismer nahm an, daß das elektromagnetische Feld über dem Zaun weit in die Höhe ragte und daß jede Veränderung an den automatischen Zaunwächter gemeldet wurde.
Die Äste durfte er keinesfalls benutzen.
Aber damit hatte er auch nicht gerechnet.
Er schnallte seinen Rucksack ab, legte ein Meßgerät an den Zaun, ermittelte an verschiedenen Stellen die elektrischen Feldstärken - dann brachte er ein Dutzend Klammern an, so daß ein Quadratmeter Zaun komplett überbrückt wurde.
Mit einer Molekularzange, seinem besten Stück im Rucksack, trennte er den Maschendraht auf.
Durch das entstandene Loch schob er zuerst den Sack. Dann kletterte er selbst hinterher.
Anschließend machte er das herausgeschnittene Stück provisorisch wieder fest, und exakt dieser Moment war entscheidend: Eismer Störmengord nahm der Reihe nach die Klammern ab. Nur kein Alarm jetzt. Aber nichts passierte.
Mit dem Rucksack auf dem Rücken machte er sich auf den Weg Richtung Hafengebäude. Nun, da er sich im Inneren befand, hatte er keine Kontrolle mehr zu fürchten.
Zwanzig Passagiere spazierten über das betonierte Gebiet. Manche sahen so fremdartig aus, daß sich Eismer fragte, welche Umgebung solche Körperformen hervorbrachte.
Er passierte das Kontrollareal in geringer Entfernung. Sein Ziel war der Frachtbereich.
Hafenpersonal war nicht zu entdecken, auch kein Wachroboter.
Bomicu Mes Gebertan hatte vor wenigen Tagen ein teures Gerät erhalten, ein spezielles Teleskop für den Kessel von DaGlausch. Eismer wußte, daß das Gerät in nicht funktionstüchtigem Zustand eingetroffen war. Da es seit gestern in der Werkstatt fehlte, ging er davon aus, daß es an den Lieferanten zurückgeschickt wurde.
Das Teleskop mußte sich im Frachtbereich befinden, in einem Container verpackt.
In einer kleinen Halle stand ein Kistenstapel. Eismer schaute sich um, sicherte kurz, zog hinter sich die Tür zu.
Der Container war schnell gefunden. Eine Aufschrift beschrieb den Inhalt, nämlich ein Teleskop, und den Bestimmungsort.
Außerdem prangte ein Siegel auf dem Containerdeckel. Die Kontrolle hatte demnach bereits stattgefunden.
Zum zweiten Mal setzte der Goldner seine Molekularzange ein. Er klemmte das Siegel ab, legte es vorsichtig auf den Boden, dann knackte er die Seitenklappe des Containers.
Es fiel ihm nicht einmal schwer, von außen war der Schaden nicht sichtbar.
Das Gerät im Inneren wog mindestens eine Tonne. Eismer wußte, daß er es nicht bewegen konnte. Allerdings war er sehr viel kleiner als beispielsweise Bomicu Mes Gebertan, und der Platz, den der Forscher zum Sitzen unter dem Okular benötigt hatte, reichte für ihn sogar zum Liegen aus.
Er befestigte das Siegel an einer Seite der Tür. Wenn er die Tür schloß, wurde es automatisch bis auf einen Millimeter an die Wand herangedrückt.
Eismer Störmengord stieg ins Innere des Containers und zog von innen die Tür zu.
Durch das beschädigte Schloß drang Sauerstoff herein, wenngleich es nicht sehr viel war, Er verstaute seinen Rucksack, schob den Stuhl beiseite, und lehnte sich bei völliger Dunkelheit gegen eine Wand - und dann wartete er.
*
Es dauerte nicht sehr lange. Störmengord hörte Stimmen von draußen, anscheinend Hafenpersonal. Die Mühe einer zweiten Prüfung machte sich keiner.
Kurz darauf wurde der Container angehoben, ab und zu rüttelte etwas, bis ein schepperndes Geräusch erklang, Er nahm als sicher an, daß er nun die Frachträume des Linienschiffes erreicht hatte.
Der Start erfolgte am selben Tag. Aus den Tiefen des Schiffes erreichte ein dunkles, wuchtiges Rumoren sein Gehör. Ein heftiger Schlag traf seinen ganzen Körper.
Eismer fühlte sich an seinen ersten Raumflug erinnert, als sein Vater ihn nach Jembers geschickt hatte. Auch damals hatten die Andruckabsorber mit Verzögerung eingesetzt, und einige Gravos Bescheunigung waren beim Startmanöver durchgeschlagen. „Geschafft!" murmelte er zu sich selbst, In der Enge des Containers klang seine Stimme dumpf „Ich habe es tatsächlich geschafft ..."
Er besaß keine konkrete Vorstellung, wie er Zophengorn erreichen wollte. Nicht einmal die
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