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195 - Verloren im Outback

195 - Verloren im Outback

Titel: 195 - Verloren im Outback Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stephanie Seidel und Ronald M. Hahn
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Geheimnissen gerettet hatte.
    Kein gewöhnlicher Sturm, aber nein! Es regnete nicht, da war kein schwarz verhangener Himmel, und es gab auch keinen kalten Wind, der die Haut zum Frösteln brachte.
    Nur Sand.
    Er war überall, fraß alles auf: den Himmel, die Erde und die Luft dazwischen, einfach alles. Daa’tan hatte sich das Hemd vom Leib gezerrt und hielt es vors Gesicht gepresst, so fest es ging, um den Sand daran zu hindern, ihm die Lunge zu füllen.
    Im Mund war er schon. Und in den Augen. Blind stolperte der junge Mann vorwärts, gegen den Sturm, in der trügerischen Hoffnung, auf diese Weise an dessen Ende zu gelangen.
    Dorthin, wo man etwas anderes einatmen konnte als Sand.
    Ein Wüstenkind hätte gewusst, was zu tun war: klein machen, zudecken, abwarten. Aber Daa’tan kannte nur die rauen Stürme Europas und Westasiens, mit ihrem Heulen und Toben und den Wassermassen, und dem Regenbogen als Zeichen, dass die Gefahr überstanden war. Nichts davon traf auf Sandstürme zu. Sie spielten nach eigenen Regeln, und die waren tückisch.
    Irgendwo in den Wüstenstreifen des Outbacks waren Luftmassen aufeinander geprallt, die sich nicht mochten.
    Heulend wüteten sie umeinander. Im Zentrum des Sturms tobten heftige statische Entladungen, ein Blitzgewitter sondergleichen, ausgelöst durch die Reibung ungezählter Sandkörner.
    Sandstürme verursachen Geräusche, die sehr unheimlich sind, wenn man sie zum ersten Mal hört. Manchmal klingen die Böen wie vorbei rauschende Wellen, dann wieder glaubt man Stimmen zu hören; nicht etwa ein Wispern, sondern ein Brüllen und Schreien, dass man meint, man wäre von Dämonen umringt.
    Daa’tan hatte keine Zeit, sich zu fürchten. Er wurde regelrecht ausgepeitscht, rang immer verzweifelter nach Luft.
    Doch da war keine. Nur Sand. Der Sauerstoffmangel rief Halluzinationen hervor. Daa’tan spürte Hände an seiner brennenden Haut, sah Schatten, obwohl er die Augen geschlossen hielt.
    Dann gab der Sturm plötzlich nach. Das Tosen beruhigte sich, klare Luft strömte heran, es wurde hell. Daa’tan atmete auf. Geschafft!
    Erleichtert rammte er Nuntimor in den Sand, nahm sein Hemd in beide Hände und schlug es aus. Ringsum war keine Erde, kein Baum, kein Gras. Hier und da ragte ein mageres Gesträuch auf, doch das war schon alles. Hatte er sich in die Wüste verlaufen? Der Neunzehnjährige sah sich um. Wo war die Fabrik geblieben? Unmöglich, dass der Sturm sie verschüttet hatte, dafür waren die Gebäude viel zu hoch!
    Daa’tan warf einen wütenden Blick auf die abziehende Bedrohung aus Sand und Blitzen und krachendem Donnerschlag.
    Du kriegst mich nicht klein!, dachte er. Und wenn du die ganze Welt mit Sand füllst, ich werde meinen Weg immer finden!
    Nachdem er sein Hemd angezogen hatte, ging er weiter.
    Seine Stiefel sanken ein, so weich wie auf frisch gefallenem Schnee. Es war ein angenehmes Gefühl nach dem schwerfälligen Stapfen durch den Gegenwind, und Daa’tan genoss es. Fünf Schritte lang. Nach dem sechsten hätte er sich vielleicht noch retten können, beim siebten wurde es kritisch, und als der junge Mann endlich merkte, dass etwas nicht stimmte, war es zu spät.
    Sand ist nie so weich wie Schnee – es sei denn, er liegt über einem versteckten Hohlraum, in den er abgleiten kann. Mitsamt seinem Opfer.
    Daa’tan durchfuhr ein eisiger Schreck, als der Boden unter ihm in Bewegung geriet. Er versuchte zu springen, zu rennen, irgendwie weg zu kommen. Nichts nützte. Im Gegenteil: je mehr er unternahm, desto tiefer sank er ein. Schon steckte er bis zu den Oberschenkeln fest, konnte die Beine nicht mehr bewegen.
    Sein mächtiges Schwert konnte ihm nicht helfen; im Gegenteil zog sein Gewicht Daa’tan nur noch schneller nach unten. Er warf es von sich.
    Ringsum hatte sich ein Trichter gebildet. Er schien in die Höhe zu wachsen, fraß den Horizont, das Licht, das Leben.
    Überall rieselte Sand nach. Unaufhaltsam. Wind fuhr über den Trichterrand, ließ ihn einbrechen. Große schwere Klumpen stürzten auf Daa’tan. Wenigstens waren seine Arme noch frei.
    Doch was nützten sie, wenn es nichts zum Greifen gab?
    Der gehetzte Blick des Neunzehnjährigen fiel auf ein mageres Gestrüpp, gut zwei Meter entfernt. Die Entfernung war viel zu groß, und die Stängel sahen aus, als würden sie schon beim bloßen Hinsehen zerbrechen. Trotzdem streckte Daa’tan die Hand nach ihm aus wie ein Ertrinkender.
    Der Treibsand fraß seine Hüften. Nackte, kreatürliche Panik wallte in

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