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195 - Verloren im Outback

195 - Verloren im Outback

Titel: 195 - Verloren im Outback Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stephanie Seidel und Ronald M. Hahn
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Daa’tan auf. Hilfe!, schrie er in Gedanken.
    Und die Hilfe kam… aus ihm selbst!
    Unter der Triebfeder der Todesangst erwachte etwas in ihm, holte eine Macht aus ihrem Dornröschenschlaf, deren Fähigkeiten der junge Mann noch nie gezielt, sondern immer nur unterbewusst angewendet hatte: das Erbe seines zweiten Vaters. Der Entität, die die Daa’muren aus einer Pflanze geschaffen und mit Intelligenz versehen hatten.
    An den dürren Stängeln platzten mit einem Mal Knospen auf. Der Strauch hatte den Ruf verstanden, und er trieb in Sekundenschnelle aus. Eine rätselhafte Kraft strömte von dem Jungen in die Pflanze hinüber.
    Bitte, schnell! Sandmassen umschlossen Daa’tans Rippen, machten das Atmen schwer. Komm schon! Komm her!
    Der Strauch trieb aus wie Waldreben im Sommer; man konnte ihm dabei zusehen.
    Ein halber Meter noch.
    Das ist zu langsam! Beeil dich! Daa’tans Hand zitterte heftig. In seinen Augen spiegelten sich die nahenden Triebe; doch sie wuchsen nicht schnell genug – schon erreichte der Sand seine Brust. Ein Stückchen tiefer noch, dann war es zu spät. Ohne Bewegungsfreiheit würde sich Daa’tan nicht mehr retten können.
    Zwanzig Zentimeter.
    So nah – so unerreichbar! Daa’tan versuchte Zeit zu schinden, griff in den Sand und warf ihn händeweise über den Trichterrand. Doch durch die ruckhaften Bewegungen sank er nur noch schneller ein. Er keuchte entsetzt, hielt inne und sah sich um.
    Aus den Trieben wuchsen Blätter, entfalteten sich zu glänzendem Grün.
    Nein! Verschwende keine Kraft! Komm her, komm her!
    Daa’tan konzentrierte sich auf das pflanzliche Leben, das in dem dürren Strauch steckte. Er konnte es fühlen, beeinflussen!
    Steuern!
    Die Blätter verdorrten in Sekundenschnelle. Dafür reckte sich der Strang weiter in seine Richtung.
    Zehn Zentimeter!
    Der Sand erreichte seine Achseln, griff nach seinen Unterarmen und zog ihn hinab.
    Keine Zeit mehr! Jetzt oder nie! Zusammen mit einem letzten mentalen Schrei warf sich Daa’tan vorwärts. Muskeln, Sehnen… alles wurde grausam gezerrt bei seinem verzweifeltem Griff nach dem rettenden Gesträuch. Er schrie vor Schmerz und Angst. Selbst dann noch, als sich seine Hand schon fest um die verholzenden grünen Triebe geschlossen hatte.
    Daa’tan quetschte das Leben aus ihnen heraus beim Kampf um sein eigenes. Bis er festen Boden erreicht hatte und völlig erschöpft am Rand der Treibsandgrube liegen blieb, war das Gesträuch verdorrt…
    ***
    Aus Aruulas Erinnerungen
    Es dauerte drei Stunden, bis sie den bewaldeten Gipfel erreichten und Aruula und die jüngeren Angehörigen der Horde endlich einen Blick in das Tal werfen konnten.
    Der Anblick war aus mehreren Gründen beeindruckend: Zum einen war es kaum tausend Schritte breit, dabei aber endlos lang und schien in beiden Richtungen mit dem Ende der Welt zu verschmelzen.
    Das Faszinierendste in diesem Tal war jedoch eine merkwürdige Konstruktion, die sich, so weit das Auge reichte, so metallen wie rostig in einer Höhe von etwa siebzig Ellen über den Fluss hinweg zog: ein auf Stelzen ruhendes Gerüst, das wie ein durch die Luft führender Gehweg aussah. Da und dort sah man im Licht der untergehenden Sonne auf dem Ding Gebilde, die an Nester von Vögeln erinnerten. Der Anblick einer jungen Taratze, die – auf der Suche nach Beute? – auf allen Vieren über die Konstruktion schlich, deutete aber an, dass nur phantasielose Vögel das Wagnis eingingen, ihren Nachwuchs dort auszubrüten.
    Die Konstruktion folgte dem Fluss, der sich durch das ganze Tal zog. Von oben betrachtet wirkte er weder breit noch tief.
    »An den meisten Stellen reicht er einem nur bis zum Bauch«, beantwortete Sorban Aruulas Frage. »Er ist allerdings sehr fischreich, und seine Ufer wimmeln von den leckersten Gerulen, die man in diesem Land findet.«
    Eine eigenartige, kugelförmige schwarze Wolke, die das mittlere Drittel des Tales einnahm, zog die Aufmerksamkeit der jüngeren Leute auf sich. Auf die Frage eines Knaben, ob ihnen etwa ein Unwetter bevorstünde, reagierte Baloor mit unheilvollem Gemurmel und ermahnte Sorban, die Horde schnell in sichere Gefilde zu führen.
    Sie setzten den Weg fort. Bald verschwand die mysteriöse Wolke hinter Bäumen. Die Sonne ging unter. Die Kinder vergaßen die unheimliche Erscheinung, und Aruula, die hinter Sorban ging, um mit Hilfe ihres Lauschens etwaige Gefahren aufzuspüren, wurde durch ihre Arbeit abgelenkt.
    Je tiefer sie ins Tal kamen, umso mehr lichtete sich der Wald

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