1956 - Das Haus der Nisaaru
war angezeigt.
Der Todesmutant war in einen Paratron- und in einen Anti-Esper-Schirm gehüllt worden, um unkontrollierte Psi-Ausbrüche zu verhindern. Und um ihn ein wenig vor der verheerenden fünfdimensionalen Strahlung des Sonnentresors zu schützen. Auf bisher ungeklärte Art und Weise schienen die Einflüsse der 61-Sonnen-Ballung sogar den Paratronschirm durchdringen zu können. Vincent Garron befand sich in einem schrecklichen Zustand.
Wenn sie ihn anschaute, fühlte Darla Ekel in sich aufsteigen. Es war Ekel - und der schreckliche Wunsch, dieser Wahnsinnige möge endlich verrecken. Darla wusste, dass sie. durch ihren Eid daran gebunden war, jedes Menschenleben zu retten. Jedes, egal was derjenige vorher getan haben mochte.
Doch die berufliche Distanz fiel ihr angesichts dieses gefährlichen Wahnsinnigen schwer. Sie hatte sich genau darüber informiert, was Vincent Garron getan hatte, und ihrer Ansicht nach gab es für so jemanden nur eine Strafe. Aber niemand hatte sie um ihre Meinung gefragt. Sie hatte ihre An - weisungen. Julio Mangana, ihr Vorgesetzter, war ein erfahrener Mann. Der Chefarzt hatte ihrem Gesichtsausdruck sofort entnommen, was sie über ihre Einteilung in den Dienstplan dachte. Und seine Anweisungen ein wenig schärfer wiederholt. Jetzt waren sie ein Befehl: Vincent Garron musste am Leben erhalten werden, gleich wie.
Allerdings hatte er ihr nicht befohlen, dass Darla bei jedem Winseln sofort zu springen hatte. Darla richtete den Blick von den Kontrollen auf einen der schrecklichsten Massenmörder der jüngeren menschlichen Geschichte. Es war kein schönes Bild. Garron erwiderte ihren Blick. Seine Augen verzerrten sich nur mehr zu schmalen Schlitzen, so sehr war sein Gesicht inzwischen angeschwollen. Er sah widerlich aus, kaum mehr wie ein Mensch. So verkehrt sich das Innere nach außen, dachte Darla. Jetzt kann wenigstens jeder deine hässliche Seele sehen, und niemand wird mehr Mitleid mit dir haben. „Was ist?" fragte sie unpersönlich. „Bitte, tu etwas gegen die Schmerzen", flehte Vincent Garron. „Du bekommst bereits alles Notwendige. Mehr wäre nicht zu verantworten. Außer, du möchtest gern sterben..." Der Mutant krümmte sich vor Schmerzen auf der Antigravliege zusammen. „Das wäre vielleicht das Beste", stöhnte er laut. Darla wandte sich den Kontrollen zu und bearbeitete die Aufzeichnungen. „Wie recht du nur hast", murmelte sie. Am liebsten hätte sie in den Schutzschirm eine Schallisolierung einprogrammiert, um nicht mehr das ständige Wehklagen hören zu müssen. Sie war übermüdet, wütend auf ihren Vorgesetzten und auf sich selbst, weil sie es nicht schaffte, die nötige Distanz zu wahren.
Fast automatisch glitten ihre Finger über die Tastenfelder. Sie errichtete einen kleinen Holospiegel, um sich zu betrachten. Unter ihren Augen lagen dunkle Schatten, ihr Teint war fahlbleich. Ihre stahlblaue Haarmähne, die sie meistens zu einer kunstvollen Frisur drapierte, hing in glanzlosen Strähnen herab. Nicht mehr lange, und sie würde eine unter vielen sein, eine überarbeitete' angestrengte Medikerin, die keine Zeit mehr für ihr Äußeres aufwendete und nur noch an die Arbeit dachte.
Wütend löschte Darla Markus das Holo. „Doktor, bitte!" jammerte Vincent. „Es ist, als ob mir bei lebendigem Leib die Haut abgezogen wird ..." Der jungen Medikerin riss der Geduldsfaden. „Sag mir, Garron, wie ist das, einmal das Opfer zu sein?" fuhr sie den Gepeinigten an. „Haben sich deine Opfer so gefühlt, bevor du sie grausam umgebracht hast? Haben dich ihre Schmerzen je interessiert?"
„Ich heiße Vincent ...", versuchte der Mutant, sich seine Würde zu bewahren. „Soll ich Vince zu dir sagen?" höhnte Darla. „Den Tag, an dem ich dich beim Vornamen nenne, wirst du nie erleben.
Du bist ein Monster! Und so siehst du auch aus: wie ein abstoßendes Monster. Ich hoffe, du durchleidest Höllenqualen!"
„Das reicht!" erklang in diesem Moment eine zornige, männliche Stimme hinter ihr. Jemand packte Darla am Arm und zog sie aus dem Beobachtungsraum ins Labor nebenan. Die automatische Tür schloss sich sofort.
„Wie lange geht das schon so?" schnauzte sie Marius Karrel an. Der Anästhesist war etwa zehn Jahre älter als Darla. Die beiden hatten sich während der gemeinsamen Arbeit ein wenig angefreundet. Gelegentlich kam Marius nach Dienstschluss vorbei, um der Kollegin ein wenig Gesellschaft zu leisten. So auch an diesem Tag ... „Ich weiß nicht, was du meinst", gab sich
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