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198 - Sohn und Dämon

198 - Sohn und Dämon

Titel: 198 - Sohn und Dämon Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jo Zybell
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Bad in der rätselhaften Flüssigkeit. Jetzt stieg es aus dem Dunkel ihrer verdrängten Erinnerung herauf, dieses riesige, unförmige Tentakelwesen, und wollte sie mit seinen feuchten Ausstülpungen umschlingen. Sie schrie auf und fuhr hoch.
    Nach dem abscheulichen Erlebnis am Ufer des Kratersees damals war sie wie in Trance gewesen. Und die anschließende Trauer hatte sie schier umgebracht: Das in ihrem Bauch heranwachsende Kind war verschwunden gewesen. Sie hatte es einfach nicht mehr gespürt. [2]
    Drei Winter war es her; oder schon vier? Jetzt wollte es ihr scheinen, als wäre es erst gestern gewesen.
    Der Feind hätte ihr das Ungeborene geraubt, behauptete der Finder. Und diesen Räuber ein für alle Mal zu vernichten, läge nun in ihrer Macht. Aruula ließ sich wieder auf den Strohsack fallen und versuchte zu schlafen. Doch das Karussell in ihrem Geist gönnte ihr keine Ruhe. Sie spürte ihre Fußketten, sie starrte ins Halbdunkle ihrer Kerkergrotte. Warum fesselte man sie, wenn man angeblich mit ihr gegen einen gemeinsamen Feind kämpfen wollte? Warum sperrte man sie ein?
    Ein Abend vor zwei Monden fiel ihr ein. Ulros, der Erste Wächter der Anangu, und seine Krieger hatten sie aus der Grotte geholt und auf einem Mammutwaran zu einer Versammlung der Telepathen gebracht. Vor einem Steinblock fesselte man sie dort auf einen Scheiterhaufen. Oben auf dem Fels standen Menschen vor einem Feuer. In seinem Licht erkannte sie Maddrax. Ein Anangu wollte den Scheiterhaufen anzünden. Aus einem einzigen Grund tat er es nicht: Maddrax erklärte sich zu einer Mission bereit, die er für den Finder erledigen sollte.
    Bedrohten Verbündete im Kampf gegen einen gemeinsamen Feind einander mit dem Feuertod?
    Nein, das konnte nicht sein.
    Die Zweifel nagten an Aruulas Geist und Gemüt. Zu viel hatten die Anangu und der Finder ihr angetan, als dass sie ihnen noch vertrauen konnte. Und Wudan selbst sollte diesen gewalttätigen Kriegern und ihrem gnadenlosen Herrn wohlwollend zusehen?
    Sie warf sich auf ihrem Lager hin und her. Immer wieder versank sie für kurze Zeit in fiebrige Schlafphasen, um durch Albträume wieder aus ihnen hoch geschreckt zu werden. Selbst in diesen Träume quälten Zweifel und Fragen sie: Was war das für eine Mission, zu der man Maddrax gezwungen hatte?
    Wohin hatte man den Geliebten und Rulfan geschickt? Und würde er je zurückkommen?
    Irgendwann nach Mitternacht versank sie doch noch in tiefen Schlaf. Im Traum trat sie in ein Zelt aus rotem brüchigen Leder.
    Eine Greisin mit schlohweißem, verfilzten Haar saß darin.
    Ihre Haut sah aus wie vergilbtes Laub. Ihr knochiger Körper war in einen langen abgeschabten Lederumhang von schwärzlichem Rot gehüllt. Ein Kupferring hing in ihrem rechten Nasenflügel.
    »Komm her, Mädchen«, krächzte die Göttersprecherin.
    Aruula wurde plötzlich bewusst, dass sie selbst erst sechzehn Winter alt war. Angst überfiel sie, Angst vor einer neuen Grausamkeit der Anangu und des Finders. »Komm zu mir, Mädchen!«, forderte die Alte.
    In ihrem speckigen Lederzeug und ihrem zerknitterten Gesicht sah sie so Furcht erregend aus, wie Aruula sich einen Dämon aus Orguudoos finsterer Tiefe vorstellte. Ihre Augen jedoch waren von einem klaren Grün. Gütige Augen waren das, Augen voller Liebe. Aruula spürte, wie diese uralten Augen bis auf den Grund ihrer Seele blickten. Und plötzlich war ihr, als hätte sie diese Göttersprecherin schon einmal gesehen.
    »Bleib stehen«, forderte die Greisin. Sie schloss die Augen, ihr Oberkörper bog sich hin und her, und ihre welken Lippen bewegten sich. Aruula verstand ihr Gemurmel nicht, doch sie hatte das Gefühl, die Alte würde zu Wudan beten.
    Ohne ihr Gemurmel und ihren Singsang zu unterbrechen, stand die Greisin auf. Sie stellte sich vor Aruula und legte beide Hände auf ihren Kopf. Hitze strömte aus den faltigen Händen in Aruulas Schädel, das Herz klopfte ihr auf einmal in der Kehle. Sie hielt den Atem an.
    »So spricht Wudan, der Allgewaltige«, hörte sie die Greisin im Traum sagen. »Großes und Wundersames hat er mit dir vor, Aruula von den Dreizehn Inseln, fürchte dich nicht! Ein mächtiger Elnak Wudans geht an deiner Seite. Orguudoos finsteres Trachten wird dir nicht schaden können. Tausende wird dein Schwert fressen! Und dein Auge wird Dinge sehen, die keiner von uns je gesehen hat…!«
    Zuversicht und Freude erfüllten Aruula, während die greise Göttersprecherin sie segnete. Und noch etwas regte sich in ihr,

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