0313 - Die Mumien kommen
Mary Farlane schlug die Hände über dem Kopf zusammen, als sie ihren zehnjährigen Sohn Mike vor sich stehen sah. »Kind!« rief sie, »was hast du nur gemacht?«
Wie die Unschuld persönlich stand der kleine rothaarige Bursche im Hausflur. Mit staunenden Augen blickte er seiner Mutter ins Gesicht. »Ich getan, Mom? Ich habe nichts getan.«
Mary nickte. »Ja«, stöhnte sie, »das sehe ich. Du hast überhaupt nichts gemacht. Der Lehm auf deiner Kleidung ist von allein gekommen, der Riss im Ärmel auch, und von dem Schmutz an deinen Händen oder in deinem Gesicht brauchen wir erst gar nicht zu reden.«
»Ach das meinst du«, sagte Mike. »Das ist doch nicht schlimm.«
Mary ging in die Knie. »Nein, mein Kleiner«, erwiderte sie mit einer gequält klingenden Stimme. »Das ist alles nicht schlimm für dich. Ich weiß es. Und für mich wäre es auch nicht schlimm, wenn es nicht jeden Tag vorkommen würde. Ich weiß nicht mehr, was ich dir noch anziehen soll. Es ist alles in der Wäsche…«
»Muss ich dann nackt herumlaufen?« fragte Mike ängstlich.
»Wenn das so weitergeht, bestimmt.«
»Aber die anderen…«
»Die anderen werden dich für die nächsten beiden Tage nicht mehr interessieren, denn es ist alles schmutzig. Du musst nach der Schule und den Hausaufgaben im Zimmer bleiben. Tut mir leid, Mike, ich kann dir nicht helfen.«
Der Zehnjährige nickte. Dabei presste er die Lippen zusammen, um das aufkommende Weinen zu unterdrücken. Er wollte ja stark sein, doch mit der Strafe hatte er nicht gerechnet.
Mary, eine Frau, die das gleiche rote Haar hatte wie ihr Sohn, nur bei ihr wuchs es wild und kraus, nahm den Kleinen an die Hand und zog ihn zu sich heran.
»Wo soll ich hin?«
»Ins Bad, wie immer.«
Mike nickte. Die Schuhe musste er sich zuvor ausziehen. Sie blieben im Flur dicht hinter der Haustür stehen.
»Dass du dich nicht schämst«, sagte Mary und schüttelte den Kopf. »Ein Junge in deinem Alter. Ich begreife es einfach nicht…«
»Es hat aber Spaß gemacht.«
Mary Farlane lachte auf. »Das kann ich mir vorstellen.«
»Und Dad würde auch lachen.«
»Da bin ich mir nicht sicher. Warte nur ab. Er wird gleich zu Hause sein.«
»Macht er heute keine Überstunden?« fragte Mike erstaunt.
»Nein, auch bei der Polizei wird mal pünktlich Feierabend gemacht. Es kommt zwar selten vor, aber manchmal gelingt es.«
»Daddy wird lachen. Er war nämlich früher genauso«, verteidigte sich der Zehnjährige.
»Ja«, stöhnte Mary, »leider.« Sie hatten das Bad erreicht und die 34jährige Frau öffnete ihrem Sohn die Tür. Dabei warf sie noch einen Blick zurück.
Es war genau zu sehen, wo Mike hergegangen war. Die Lehmspuren zeichneten sich deutlich im Flur ab. Nur gut, dass dort Fliesen lagen und kein Teppichboden.
Mary Farlane drückte die Tür von innen an. »Zieh dich schon aus, Mike. Das kennst du ja.«
»Sicher, Mom.«
Mary Farlane überlegte, ob sie ihren Sohn in die Wanne stecken oder ihn duschen lassen sollte. Sie entschied sich für die Dusche. Es ging schneller und war billiger.
Mike stieg aus der Hose. Konnte er sonst nie schnell genug sein, so ließ er sich hier Zeit. Beinahe provozierend langsam zog er den Reißverschluss seiner schmutzigen Jeans nach unten.
Mary Farlane half schnell nach. »Komm, ich möchte fertig sein, wenn dein Vater kommt. Außerdem muss ich noch das Essen aufwärmen. Beeil dich mal ein wenig.«
Wieder schüttelte die Frau den Kopf, als sie entdeckte, dass selbst die Unterwäsche mit braungrauem Lehm bedeckt war. »Das ist ja fast unmöglich«, kommentierte sie. »Wie kann man sich nur so schmutzig machen? Ich begreife es nicht.«
»Da war ein Lehmberg, Mom.«
»Aha.« Mary legte das Hemd und die Jacke zur Seite. »Und wo?«
»Beim Wald. Wo auch der alte Bunker ist und die Leute bald anfangen zu bauen.«
Die Frau kreiselte auf der Stelle herum. Scharf schaute sie ihren Sohn an. »Da habt ihr gespielt?«
»Klar.«
»Aber ich…« Sie schluckte. »Ich hatte dir doch verboten, dort hinzugehen.«
»Die anderen waren auch da«, beschwerte sich Mike und wollte die Namen der einzelnen Kinder aufzählen, doch seine Mutter wehrte ab. »Nichts da, deine Freunde können machen, was sie wollen. Für dich sind dein Vater und ich verantwortlich. Ich hatte dich gebeten, den Bunker nicht zu betreten. Du weißt selbst, wie gefährlich er ist.«
Mike senkte den Kopf. Die Nase musste er hochziehen, weil er anfing zu weinen. »Ich gehe auch nicht mehr
Weitere Kostenlose Bücher