2 Die Connor Boys: Lieb mich hier und jetzt
Verbrecher, Unwetter. Sie war auffallend hübsch, so dass sie fr üher oder später unweigerlich zwielichtige Gestalten anziehen würde. Und was machte es ihm schon aus, wenn sie für eine Weile hier blieb und Geister suchte? Doch im Moment störte ihn mehr der Gedanke, dass sie schutzlos in ihrem winzigen Zelt lag und vielleicht vor Kälte zitterte.
Ein dicker Regentropfen platschte gegen die Fensterscheibe. Danach noch einer und dann immer mehr. Resolut wandte Seth sich vom Fenster ab. Es war nicht sein Problem, wenn sie nass wurde. Er hatte mehr getan, als die meisten Män ner unter den Umständen getan hätten. Sie war auf seinem Rasen so sicher wie in Abrahams Schoß. Niemand würde sie dort belästigen. Er brauchte sich darüber hinaus nicht für sie verantwortlich zu fühlen.
Minuten später verließ er sein Zimmer und ging die Treppe hinunter ins Erdgeschoß, dicht gefolgt von Jezebel. Inzwischen hatte Seth sich mit dem Haus vertraut gemacht und schmiedete bereits Pläne über Veränderungen. Es kam nicht oft vor, dass er seinen Brüdern helfen konnte, denn neben dem Finanzgenie Michael, seinem älteren Bruder, und Gordon, dem talentiertes Musiker, war er sich immer ein wenig durchschnittlich vorgekommen. Er hatte nun einmal keine besonderen Begabungen. Dafür war er jedoch ein ganz guter Zimmermann und hatte sogar einen eigenen Betrieb mit vier Angestellten. Er liebte es, etwas zu herzustellen, zu reparieren und vor allen Dingen mit Holz zu arbeiten. Endlich konnte er mit seinen Fähigkeiten etwas für seine Brüder tun.
Das Haus war ein Paradies für jemand, der es liebte, alte Häuser zu restaurieren. Sie mussten das Haus natürlich verkaufen, denn keiner der Brüder hatte vor, nach Maine zu ziehen. Aber Seth konnte mit etwas Arbeit den Verkaufspreis erhöhen.
Er ging in den unteren Räumen umher und stellte im Kopf eine Liste von den Dingen auf, die am dringendsten erledigt werden mussten. Die Holzfußböden mussten alle abgeschliffen und neu versiegelt werden. Jemand hatte leider die Küchenschränke überlackiert. Seth würde die Farbe behutsam entfernen, damit das natürliche Eichenholz wieder zum Vorschein kam. Dann gab es auf der zweiten Etage zwei Zimmer - das grüne und das blaue - , die viel zu klein waren, und da die Verbindungswand keine stützende Funktion hatte, würde er sie einreißen und aus den beiden Zimmern ein einziges machen.
Obwohl er sich vollständig auf die Renovierungsarbeiten konzentrierte, ertappte er sich dabei, wie er plötzlich vor einem der Fenster stand und auf den Rasen hinausblickte. Das Gewitter hätte schon längst nach Osten abziehen müssen, wie jedes andere normale Tief. Statt dessen schien es immer näher zu kommen. Der Regen fiel jetzt so dicht, dass man draußen kaum etwas erkennen konnte. Jezebel winselte leise, stellte sich auf die Hinterpfoten und drückte die Nase gegen die Scheibe.
„Ja, sie ist noch da. Und offensichtlich schläft sie wie ein Säugling. Du siehst auch kein Lebenszeichen, oder? Wenn etwas nicht stimmte, würde sie sich doch bemerkbar machen. Zum Kuckuck noch mal, gibst du endlich Ruhe. Sie ist nicht unser Problem. Vergiss sie einfach und benimm dich nicht, als hätte man dich eingesperrt."
Aber Seth selbst benahm sich nicht anders. Er fuhr sich mit der Hand durchs Haar und entschloss sich plötzlich, seinen Bruder an zurufen. Es war fast elf, aber Michael litt an chronischer Schlaflosigkeit, so dass keine Gefahr bestand, ihn aufzuwecken, und Seth wollte über das Haus mit ihm sprechen.
Das nächste Telefon war in der Küche, ein altmodischer Wandapparat. Wie erwartet, war Michael wach und hörte Seth geduldig zu, bis er dann fragte: „Bist du sicher, dass du Zeit für
all das hast?"
„Ich werde gar nicht so lange brauchen. Zwei, drei Wochen, höchstens einen Monat. Und mit den Verbesserungen steigt der Wert des Hauses. Zuhause vertritt mich Stitch. Es gibt nichts, was er nicht auch ohne mich machen könnte." Seth erwähnte nicht, dass er hoffte, die Abwesenheit von Atlanta und somit von Gail -würde sich wohltuend auf ihn auswirken. „Geht's dir gut?"
„Sicher. Nur ziemlich mit Arbeit geplagt."
Sein Bruder klang müde. Seth zögerte, ihn zu fragen, wie es ihm wirklich ging. Michael war zugeknöpft, seit Clara ihn verlassen hatte. Immer war alles bei ihm „in Ordnung", wenn man ihn fragte, als ob der plötzliche Bruch einer zehnjährigen Ehe nichts Besonderes wäre. Seih glaubte Michael natürlich nicht, aber was konnte er
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