Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
2:0 für Oma

2:0 für Oma

Titel: 2:0 für Oma Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ilse Kleberger
Vom Netzwerk:
ein gutes Sonntagsmahl, vielleicht einen leckeren Schweinebraten mit Klößen oder knusprige Hühnchen. Doch fast vor jeder Haustür saß die Hausfrau in der Sonne, lächelte ihren Lieben entgegen und sagte: „Ach nein, gekocht habe ich heute nicht.“
    „Aber wir haben Hunger!“ riefen die Kinder, besonders die ausgepumpten Fußballspieler.
    „Was ist in dich gefahren?“ fragten die Männer.
    Die Frau zuckte mit den Schultern: „Ich wollte auch mal einen vergnügten Sonntagvormittag haben.“ Sie dehnte sich. „Es war herrlich, einfach so in der Sonne zu sitzen und faul zu sein.“
    Der Mann brauste auf: „Aber es ist deine Pflicht, das Essen zu kochen!“
    Die Frau lächelte spöttisch. „So? Und deine Pflicht ist es, am Sonntag vormittag im Wirtshaus zu sitzen, und die Pflicht der Kinder ist es, zum Fußballspiel zu gehen. Nein — ihr tut alle, was ihr möchtet. Und ich möchte heute faul sein, in der Sonne sitzen und mich mit den anderen Frauen zu einem Schwatz auf dem Marktplatz treffen.“ Sie stand auf und machte sich auf den Weg.
    „Aber wir haben Hunger!“ schrien die Kinder. Der Mann sah ihr verblüfft nach.
    So oder so ähnlich spielte es sich in fast allen Haushalten des Dorfes ab.
    Natürlich erkannten die Männer bald, was die Frauen im Sinn hatten. „Ihr sollt euch geirrt haben!“ sagten sie und gingen zum ,Ochsen’ . Aber der Ochsenwirt, der ihnen am Vormittag das Bier ausgeschenkt hatte, zuckte nun bedauernd mit den Schultern: „Nö, zu essen kann ich euch nichts geben, weil die Karline mal wieder ausgerissen ist. Ich kann nicht kochen!“
    Auf dem Marktplatz herrschte unterdessen reges Treiben. Frauen standen in Gruppen beieinander, lachten und schwatzten. Die Kinder wuselten dazwischen herum und jammerten: „Wir haben Hunger!“
    Der Bürgermeister, der mit Sorge die Zuspitzung der Lage beobachtete, schickte einen Boten aus, der die Ratsherren zu einer außerordentlichen Sitzung einladen sollte. Sie kamen auch alle sofort, aber es war nicht leicht für sie, bis zum Bürgermeisteramt vorzudringen. Spöttische Bemerkungen der Frauen verfolgten sie, als sie sich durch die Menge drängten, und die Kinder zupften sie an den Röcken. „Wir haben solchen Hunger! Wenn wir uns wenigstens ein Eis kaufen könnten!“
    Am Eichentisch im Verhandlungsraum saßen sie einander gegenüber und schauten sich hilflos an. „Also ich finde, wir sollten nachgeben“, meinte der Tankstellenbesitzer. „Was haben wir denn zu verlieren? Ein gutes Lokal kann uns doch nichts schaden, im Gegenteil!“
    „Kommt überhaupt nicht in Frage“, schrie der Huberbauer. „Wenn die Weiber uns einmal kleingekriegt haben, versuchen sie so was immer wieder!“
    Der Bürgermeister stützte den Kopf in die Hand und stöhnte: „Aber was sollen wir denn machen? Wenn es nur nicht zu Gewalttaten kommt!“
    Der Lärm, der vom Platz hereinschallte, schwoll mehr und mehr an. „Wir haben Hunger, Hunger, Hunger!“ klang es im Sprechchor. Als die Ratsherren die Gardine ein wenig beiseite schoben und durch das Fenster spähten, erschraken sie. Auf dem Platz drängte sich das Volk. Transparente wurden aufgerollt:
    „Wir Frauen beanspruchen auch einmal einen freien Sonntag!“
    „Kinder brauchen Eis!“
    „Die Arbeiter der Spinnstoffabrik verlangen, daß ihre fleißigen italienischen Arbeitskameraden im Ort bleiben!“
    „Wir Teenager wollen eine echt italienische Eisdiele mit einer Musikbox!“
    „Der Fußballklub ohne seinen besten Spieler Mario? — Unmöglich!“

    „Wir geben nicht nach!“ knurrte der Huberbauer, aber auch er schaute etwas ängstlich hinab zu der Unruhe auf dem Platz, auf das Wogen der Köpfe, das Schwenken der Transparente und horchte wie die anderen auf das immer mehr anschwellende Geschrei: „Wir haben Hunger, wir haben Hunger!“, das schließlich zu einem brausenden Chor wurde. Betreten setzten sie sich wieder an den Verhandlungstisch.
    „Was sollen wir nur machen?“ fragte der Bürgermeister nun schon zum fünftenmal , aber niemandem fiel auf diese Frage etwas ein.
    Zu ihrer Verblüffung hörte das „Hunger“-Rufen plötzlich auf und wich einem Jubelgeschrei. Als die Ratsherren die Gardine wieder neugierig beiseite schoben, sahen sie etwas Erstaunliches: Lehrer Pieselangs alter Opel schob sich vorsichtig durch die Menge, hielt an, lud die Nonna, die Oma und einen Riesenwaschkessel aus. Auf dem vom Auto freigekämpften Weg kamen die Volpone- und die Pieselang-Kinder mit Taschen, Rucksäcken

Weitere Kostenlose Bücher