20 - Im Reiche des silbernen Löwen I
Mühe mehrere Hundert Pferde und Kamele erbeuten könnten.
Eine Stunde später erschienen die Feinde im Nordwest vom Brunnen. Sie kamen, um uns zu überrumpeln, geritten, was ihre Tiere nur laufen konnten. Am Rand der Talmulde angekommen, sprangen sie von ihren Kamelen, erhoben ein durchdringendes Kriegsgeschrei und stürmten in die Bodensenkung herab. Zu gleicher Zeit aber brachen rechts und links die Lazafah hinter dem Felsen hervor; die Scherarat stockten erschrocken, und diese kurze Zeit der Untätigkeit genügte, sie vollständig zu umringen. Welch ein Geheul und Getümmel gab das nun! Messer blitzten, Lanzen und Speere splitterten, Schüsse krachten. Kara Ben Halef flog jauchzend mitten in das Gewühl hinein, ich mit seinem Vater hinter ihm her, um ihn zu schützen. Dies eine gelang uns gut, aber einen Einfluß auf den Ausgang des Kampfes konnten wir leider nicht gewinnen; das Blut floß in Strömen, und als der Sieg erfochten war, lagen weit über hundert Scherarat tot auf dem Plan; die Verwundeten waren schonungslos erstochen oder erschossen worden; kaum zwanzig hatten das Glück gehabt, zu ihren Tieren zu kommen und entfliehen zu können, und die übrigen waren gefangen. Unter den letzteren befand sich Abu el Ghadab, der Sohn des Zauberers. Anstatt die Lazafah zu berauben, hatten sie ihnen sich selbst und eine reiche Beute zugeführt.
Es gab nun Szenen zwischen den Siegern und den Besiegten, die ich lieber nicht beschreiben will. Ich entfernte mich mit Halef und Kara, um nichts davon zu sehen, da wir doch keinen Einfluß hatten. Bald aber wurden wir geholt, weil man diesen Sieg uns zu verdanken hatte; wir sollten den uns gebührenden Dank empfangen und uns einen Teil der Beute auslesen. Wir nahmen natürlich nichts.
Dabei war es gar nicht zu umgehen, daß wir von den Gefangenen gesehen wurden. Als Abu el Ghadab uns erblickte, richtete er sich trotz seiner Fesseln halb empor, starrte uns mit hervorquellenden Augen an und schrie, vor Wut bebend:
„Kara Ben Nemsi, der Christenhund! Er hat uns verraten, und Scheba et Thar, der Löwe der Blutrache, wird ihn dafür fressen! Allah verdamme ihn und die beiden Haddedihn, die beiden Haddedihn, die bei ihm sind!“
Über sein Gesicht zogen sich zwei breite, blau unterlaufene Peitschenschwielen; es sah schrecklich aus. Ich nahm seine Worte ruhig hin; mein kleiner Halef aber brachte es nicht über sich, zu schweigen; sich vor den Sohn des Zauberers hinstellend, antwortete er:
„Dich selbst wird er verschlingen, der Löwe der Rache; wir aber lachen über ihn; du sagtest, wir müßten uns vor euch fürchten; du aber bist kein Krieger mehr, sondern gebrandmarkt für alle Zeit und noch hundert Jahre darüber hinaus, denn dein Gesicht trägt die Spuren meiner Peitsche, die du bekommen hast wie ein Hund, den die Hand eines tapferen Mannes nicht berühren mag. Schande über dich, und Hohn über deinen Scheba et Thar, dem es nur ekeln wird, ehe er dich selbst verschlingt!“
Ich zog den zornigen Kleinen fort, sonst hätte er seinem Herzen noch mehr Luft gemacht.
Der Kampf war vorüber, und wir konnten nun gehen, ohne den Vorwurf der Feigheit auf uns zu laden, und ich ging – gern! Ich wollte nicht länger an einem Ort bleiben, wo so viel zum Himmel dampfte, während es uns nicht schwer geworden wäre, die Feinde alle ohne ein solches Gemetzel in unsere Hände zu bekommen. Wir verabschiedeten uns und ritten fort, auf eine weite Strecke von einem Ehrengefolge begleitet.
Als wir nach sechs Tagen glücklich unser Ziel erreichten, war, ich weiß nicht auf welchem so schnellen Weg, die Kunde von unserem Erlebnis schon angekommen, und wir wurden dementsprechend auf das ehrenvollste in Empfang genommen.
Es ist nicht die Absicht dieser Erzählung, über den Dschebel Schammar viel zu sagen. Diese Landschaft wird von einem Scheik regiert, der sich auch Fürst nennen läßt. Der Hauptort Hâil liegt zwischen dem Adscha- und dem Selmaberge in bedeutender Höhe und bot uns eine Woche lang einen sehr angenehmen und gastlichen Aufenthalt. Der Scheik war kurz vor unserer Ankunft zur großen Hadsch (Pilgerzug) nach Mekka aufgebrochen; seine Stelle vertrat Hamed Ibn Telal, ein Verwandter des früheren und sehr berühmten Scheiks Telal, dem die Landschaft sehr viel zu verdanken hat. Halef konferierte viel mit diesem Mann, und es gelang ihm, ein Bündnis mit ihm abzuschließen, welches seinen Haddedihn große Vorteile bot. Damit, daß wir nur zu dreien gekommen waren, hatten wir mehr
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