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20 - Im Reiche des silbernen Löwen I

20 - Im Reiche des silbernen Löwen I

Titel: 20 - Im Reiche des silbernen Löwen I Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karl May
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geben wir Abu el Ghadab sofort frei und reiten weiter. Planst du aber eine Hinterlist dabei, so wird er augenblicklich erschossen. Ich gebe dir von jetzt an bis zu deiner Rückkehr eine halbe Stunde Zeit. Bist du dann noch nicht da, so muß er auch sterben. Jetzt geh!“
    Er wollte zögern; da gebot ihm Abu el Ghadab:
    „Beeile dich und tue, wie dir gesagt worden ist! Mein Leben ist mehr wert als der Besitz eines armseligen Kamels der Haddedihn.“
    Der Mann entfernte sich. Um einer etwaigen Falle, die man uns vielleicht stellen könnte, zu entgehen, verlegte ich unsern Lagerplatz um eine bedeutende Strecke seitwärts und schlich mich dann mit Halef, der einstweilen das Gewehr seines Sohnes nahm, dem Warr entgegen, und zwar bis zu einer Stelle, an welcher der Bote vorüber mußte. Kara Ben Halef hatte den Befehl, den Gefangenen scharf zu bewachen und ihn im Falle eines Fluchtversuchs zu erstechen.
    Die halbe Stunde war noch nicht vergangen, so hörten wir Schritte vor uns. Ein Stück auf die Seite kriechend, sahen wir den Boten kommen. Er führte das Kamel und ging an uns vorüber, ohne uns zu bemerken; es war kein zweiter Scherari bei ihm, und meine Drohung hatte also den beabsichtigten Erfolg gehabt. Wir standen auf und holten ihn ein.
    „Ein Glück für dich, daß du ehrlich bist!“ sagte ich zu ihm. „Du wärst natürlich auch mit erschossen worden. Gib her, was du hast!“
    Halef erhielt alles wieder, was man ihm abgenommen hatte; dann schickte ich den Scherari mit der Versicherung fort, daß sein Anführer in einigen Minuten auch frei sein werde.
    „Wirst du aber auch Wort halten, Effendi?“ fragte er mich.
    „Mach dich schleunigst von dannen!“ fuhr ich ihn an. „Kara Ben Nemsi hat noch nie eine Lüge gesagt. Oder soll ich deinen Beinen mit einem Schrotschuß Bewegung machen?“
    Er verschwand so schnell wie möglich. Als wir bei unserm Gefangenen und seinem jungen Wächter ankamen, band ich dem ersteren die Hände los und sagte:
    „Wir haben bekommen, was ich verlangte. Du kannst gehen.“
    Er blieb dennoch stehen, musterte mich von oben bis unten und fragte dann:
    „Du gibst mich wirklich frei?“
    „Ja. Und weil ich so ehrlich an dir handle, so erwarte ich, daß ihr uns unbelästigt weiterziehen laßt. Wir werden uns nach dem Bir el Halawijat (Brunnen der Süßigkeit) wenden und wünschen nicht, daß ihr uns folgt.“
    „Wir reiten nach dem Bir esch Schukr (Brunnen der Dankbarkeit), der weit im Osten liegt, denn wir wollen nach Akabet. Du brauchst dich also nicht zu fürchten!“
    „Fürchten? Ich habe niemals Furcht gekannt.“
    Da stieß er ein lautes Gelächter aus und antwortete in höhnischem Ton:
    „Die Furcht nicht gekannt? Was ist es denn anders als Furcht und Angst, daß ihr mich freilaßt? Ein Christenhund hat immer Angst vor jedem rechtgläubigen Krieger. Ich habe viel von dir gehört; aber was man sich von dir erzählt, ist alles Lüge und Unwahrheit. Alle deine Tapferkeit würde nur ein Gestank sein gegen die Tapferkeit der Scherarat. Du bist uns heute entgangen; aber ich schwöre dir zu, daß dich der Scheba et Thar (Löwe der Blutrache) in kurzer Zeit verschlingen wird; dafür werde ich sorgen! Du bist ein Anhänger des falschen Gottes und ein Bekenner seines Sohnes, der als Lügner und Empörer den ehrlosen Tod am Kreuz starb; er war ein Giaur, wie du einer bist und –“
    „Halt!“ fiel ihm da der kleine Halef zornig in die Rede. „Sage dieses Wort ja nicht noch einmal, denn ich habe nicht so viel Geduld mit dir, wie –“
    „Du? Zwerg, der du bist!“ unterbrach ihn der Scherari lachend. „Nun ich nicht mehr gefesselt bin, lache ich über euch und wiederhole es, daß euch der Scheba et Thar alle verschlingen wird. Das Fleisch und Blut eine Giaurs wird ihm –“
    Er kam nicht weiter; ein lauter, klatschender Schlag unterbrach seine Rede, denn der kleine, jähzornige Hadschi hatte ihm die scharfe, lederne Kamelpeitsche mit aller Kraft quer über das Gesicht gezogen und rief dabei:
    „Das ist für den Giaur, du Hund! Wirst du es nun noch einmal sagen?“
    Der Getroffene schrie vor Schmerz laut auf, fuhr sich mit beiden Händen nach dem Gesicht und stand eine Zeit lang ganz starr und unbeweglich. Dann aber tat er einen Sprung vorwärts, um Halef zu packen, wobei er vor Wut wie ein Stier brüllte. Es war aber nur ein einziger Schritt, den er tun konnte, denn ein zweiter gewaltiger Hieb des Kleinen warf ihn förmlich wieder zurück. Und da stand auch ich bei ihm,

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