20 - Im Reiche des silbernen Löwen I
imponiert, als wenn wir hundert Krieger mitgebracht hätten. Ich ritt oder wanderte während dieser Zeit im Land umher und belehrte und unterhielt mich dabei ausgezeichnet; dennoch war es mir lieb, als die Verhandlungen endlich abgeschlossen waren und wir wieder heimkehren konnten. Wir wären wahrscheinlich noch einige Zeit geblieben, wollten aber das Eintreffen der persischen Pilgerkarawane, welche alljährlich den Dschebel Schammar durchzieht und bald eintreffen mußte, nicht abwarten. Ich hatte diese Karawane früher mehr als zur Genüge kennengelernt, um nicht zu wünschen, ihr lieber ausweichen zu können. Wir wurden beim Abschied von Hamed Ibn Telal freundschaftlich beschenkt und bekamen zwanzig Reiter mit, welche uns zwei Tagereisen weit zu begleiten hatten. Sie taten dies mit großem Vergnügen und wären wohl auch noch weiter mitgeritten, wenn wir uns nicht geweigert hätten, sie länger von den Ihrigen fernzuhalten.
Da wir uns wohl hüten mußten, wieder mit den Scherarat zusammenzutreffen, hatte uns Hamed Ibn Telal geraten, unsere Richtung über Lyneh zu nehmen; wir folgten dieser Weisung und ahnten nicht, daß wir, indem wir dies taten, dem Löwen geradezu und sogar ganz wörtlich genommen in die Höhle liefen. Niemand kann seinem Schicksale entgehen, sagt der Moslem, und dieses unser Schicksal war esch Scheba et Thar, der Löwe der Blutrache, mit welchem uns Abu el Ghadab gedroht hatte.
Unsere Wasserschläuche waren fast leer geworden, und so freuten wir uns auf Wadi Achdar (Grünes Tal), denn es gab Wasser in den zwei dortigen Brunnen hinter den steilen Felsenklüften, welche die hohen Talwände bilden und oben im Hintergrund von den Ruinen eines uralten Kasr (Burg, Festung, Schloß) gekrönt werden. Solche Ruinen, welche meist aus der vorislamitischen Zeit stammen, sind in Arabien gar nicht selten, und daß im Wadi Achdar einst eine Burg gestanden hatte, konnte mich nicht wundern, denn ich kannte die Sage, nach welcher dieses Tal mit einem westlichen Nebenfluß des Euphrat in Verbindung gestanden haben soll. Auch wußte ich, daß zur Regenzeit das Wasser so hoch im Tal zu stehen pflegt, daß man darin baden und sogar schwimmen kann. Darum versiegen die zwei Brunnen nie, und darum gibt es selbst in der heißen Jahreszeit dort einen Pflanzenwuchs, welcher geeignet ist, ein sonst seltenes Tierleben und infolgedessen leider auch Raubtiere herbeizuziehen. Halef hatte sogar einmal gehört, daß dort Löwen gesehen worden seien, ob auch im Winter und Frühjahr, das wußten wir nicht.
Wir ritten die ganze Nacht hindurch und auch einen Teil des Morgens, und es war einige Stunden vor Mittag, als wir die Höhen, zwischen denen des Wadi liegt, vor uns emporsteigen sahen. Wo Brunnen in der Wüste sind, kann man auf Menschen rechnen, und vor diesen Menschen hat man sich gewöhnlich in acht zu nehmen. Wir mußten rekognoszieren. Halef bot sich dazu an; aber ich durfte ihn nicht in die Versuchung bringen, wieder einen solchen Fehler wie am Bir Nufah zu machen; darum ritt ich selbst voran. Ich kam zum ersten Brunnen und fand ihn unbesetzt; ich ritt noch weiter in das Wadi hinein und konnte keine Spur eines Menschen entdecken. Eigentlich wunderte ich mich darüber, doch gab es so viele Erklärungen dieser Einsamkeit, daß ich mich beruhigte und zurückkehrte, um Halef und Kara zu holen. Wäre ich noch weiter geritten, bis zum zweiten Brunnen, der zwar tief, aber gerade unter der Ruine lag, so hätte ich in den deutlichen Tatzenspuren den sehr triftigen Grund gefunden, weshalb das Wadi jetzt gemieden wurde.
Wir lagerten uns am ersten Brunnen, wo es Gebüsch gab, sattelten unsere Kamele ab, tranken uns satt und schöpften dann auch für sie so viel Wasser, bis sie nicht mehr trinken wollten. Dann machte sich die Müdigkeit geltend. Ich ordnete an, daß immer zwei schlafen sollten, während einer wachte und nach zwei Stunden von dem nächsten abzulösen war. Die erste Wache übernahm ich, die zweite fiel auf Halef und die dritte auf Kara, seinen Sohn. Meine Wache verlief ohne Störung; als sie zu Ende war, legte ich mich nieder, nachdem ich Halef geweckt hatte. Ich war sehr müde, schlief ein und fiel in Träume. Der arabische Morpheus machte mir allerhand dummes Zeug weis; zuletzt gaukelte er mir gar einen Überfall durch Beduinen vor, ein leises, leises Rauschen von Gewändern, gedämpfte Schritte, unterdrückte Stimmen, dann ein Schuß – war das wirklich Traum?
Ich fuhr empor, und zu gleicher Zeit sprangen Halef
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