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20 - Im Reiche des silbernen Löwen I

20 - Im Reiche des silbernen Löwen I

Titel: 20 - Im Reiche des silbernen Löwen I Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karl May
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Dafahdi (Frösche), welche, nachdem sie sich begegnet sind und einander angestarrt haben, stumm auseinanderhüpfen, der eine nach dem Aufgang und der andere nach dem Untergang der Sonne. Willst du dich als Frosch betrachten, so entferne dich; ich aber werde mich des Ruhms würdig machen, in Beziehung auf die Gewandtheit meines Abschiednehmens ohne Beispiel dazustehen!“
    Leider konnte ich, wenn ich nicht einen Umweg machen wollte, mich nicht in meiner ganzen froschigen Glorie zeigen, denn der Weg nach unserm Floß führte an der Hütte vorüber, zu welcher Halef in der stolzen Haltung eines Fürsten schritt. Dort angekommen, band ich den Mann und die Frau halb los, und zwar so, daß sie sich noch stundenlang bemühen mußten, sich ihrer Fesseln vollends zu entledigen. Während ich dies tat, sagte der kleine Hadschi zu dem Sill:
    „Wenn edle Freunde voneinander scheiden müssen, so rinnen die Tränen der Trennung von ihren Wimpern, und die Sonne der Wehmut geht unter hinter den Bergen der Trauer, die ihr Herz beschweren. Als ich dich zum erstenmal erblickte, du Abglanz meines Lebens, eilte dir meine Seele jubelnd entgegen, und nun ich mich von dir wenden muß, sehe ich das Grab meines Glücks vor mir offen und steige in die Grube hinunter mit der Hoffnung, daß du mir baldigst folgen und statt meiner dort begraben wirst. Unser Beisammensein ist nur ein kurzes gewesen, aber dennoch haben dich die innigsten Bande hier gefesselt und unser Floß ist eine ganze Nacht hindurch die liebliche Wohnstätte eurer Seelenruhe gewesen. Hoffentlich bedeutet unsere jetzige, bittere Trennung nicht ein Scheiden für die Ewigkeit, denn ich wünsche, daß sich unsere Augen und unsere Herzen wiederfinden. Dann wird mein Puls dir alle seine Schläge widmen, indem er sich in diese Haut des Nilpferds hier verwandelt, und die Liebkosungen meiner Karbatsch werden dir mit tiefer Eindringlichkeit beweisen, daß mir das Andenken an dich und deine Verdienste teuer ist. Ich wünsche dir für deinen Harem tausend so schöne Frauen wie diese hier an deiner Seite, und für dein ferneres Wohlergehen die Füße eines Storches, den Leib einer Schildkröte und, um deine Herrlichkeit ganz zu vollenden, die Stacheln eines Igels im Gesicht! Dann werden alle Völker dich bewundern und alle Länder dein Lob verkünden, soweit die Erde reicht. Ich bin Hadschi Halef Omar, der oberste Scheik der Haddedihn; vergiß das nicht, du Vater des Verrates, du Großvater der Lüge und du Oheim der Verstellung und Verächtlichkeit!“
    Nachdem er in dieser Weise seinem Herzen Luft gemacht hatte, spuckte er dreimal aus, warf als Zeichen der Verachtung die leere Hand in die Luft und wendete sich dann ab, um mir zu folgen. Wir führten unsere Pferde zum Floß, lösten dieses vom Gestade und ließen es abwärts treiben, wobei wir uns in der Nähe des Ufers hielten, um da, wo das Kellek der Perser lag, wieder anzulegen. Ich wollte es diesen drei Männern ganz unmöglich machen, uns noch vor Bagdad einzuholen und infolgedessen zu erfahren, wo wir dort zu finden seien. Darum durchschnitt ich den Strick, an welchem das Floß hing, worauf wir es mit hinüber auf die Mitte des Stroms nahmen, um es da weiterschwimmen zu lassen.
    Obgleich nun zu erwarten war, daß der Pädär-i-Baharat uns erst am nächsten Tage folgen könne, griffen wir doch zu den Rudern, um die Schnelligkeit unserer Fahrt zu vergrößern, und kamen sehr bald an Reschidijeh vorüber. Hierauf folgten die Orte Suadschen, Dscherjat el Maman, Hadib el Murallad und Iniam Musa, von wo aus wir noch vielleicht eine Stunde lang zwischen rechts und links liegenden Palmenhainen abwärts glitten, bis wir die Brücke von Bagdad erreichten, wo wir am Kumruk (Zollamt) anlegen mußten, aber nicht belästigt wurden, weil ich mich in Mossul in den Besitz eines Reftijat (Zollpaß) gesetzt hatte. Wir waren an unserm ersten Wanderziel glücklich angekommen.

FÜNFTES KAPITEL
    In Bagdad
    Bagdad!
    Welche Fülle glänzender Vorstellungen erweckt dieser Name in der Seele jedes Menschen, der, ohne dort gewesen zu sein oder die Verhältnisse zu kennen, die berühmte Stadt nur nach dem Inhalte von ‚Tausendundeine-Nacht‘ beurteilt! Während der Orientale Kairo als ‚Bauwahbe esch Schark‘ (Tor des Orients) bezeichnet, wird Bagdad von ihm ‚Nefs esch Schark‘ (Seele des Orients) genannt. War diese Bezeichnung vielleicht vor Jahrhunderten richtig, so ist sie es jetzt längst nicht mehr. Es geht dieser Stadt auch nicht anders als vielen

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