20 - Im Reiche des silbernen Löwen I
deinen Verbündeten beweisest, daß die Freundschaft, welche du für sie empfindest, diejenige Kraft und Eindringlichkeit besitzt, die wir von deinem Arm verlangen.“
„Verstehe ich dich richtig?“ fragte der Sill erschrocken. „Du willst mir diese Peitsche geben?“
„Ja“, nickte Halef, freundlich lächelnd.
„Ich soll schlagen?“
„Ja“, erklang es noch freundlicher.
„Die Perser – alle drei?“
„Jawohl, alle drei, und zwar so sehr, wie du nur zuhauen kannst. Wir werden dabeistehen und aufpassen. Falls nur ein einziger Schlag nicht so kräftig ist, wie wir wünschen, bekommst du allein soviel Hiebe, wie wir für die drei Halunken zusammen bestimmt haben.“
„Allah, Allah! Das kann ich nicht; das darf ich nicht!“
„Warum nicht?“
„Weil sie mich später, wenn ihr fort seid, dafür töten würden. Ihr wollt, ich soll mir das Leben dadurch retten, daß ich sie schlage, treibt mich aber grad dadurch in den sichern Tod!“
Er sagte das im Ton solcher Überzeugung, daß Halef nicht zu antworten wußte und einen fragenden Blick zu mir herüberwarf. Die Verhältnisse lagen allerdings so, daß ich dem Sill Glauben schenkte, und darum hielt ich es für angezeigt, ihn durch die Worte zu beruhigen:
„Sie werden es nicht wissen, wer sie schlägt, denn wir werden ihnen vorher die Augen verbinden. Du hast dem Anführer fünfzig, dem, welcher Aftab heißt, vierzig und dem dritten dreißig Hiebe zu geben, und zwar so kräftig, wie mein Begleiter es von dir verlangt, denn ich selbst werde nicht dabei sein. Schonst du die Kerle, so bekommst du die für sie bestimmten hundertzwanzig Schläge. Wir haben keine Zeit; entscheide dich! Gehorsam oder Tod; einen Ausweg gibt es nicht für dich.“
Er fürchtete sich trotz der ihm verheißenen Vorsichtsmaßregel vor der Rache der Perser, und versuchte allerlei Ausflüchte; aber als Halef den ihm von mir geschenkten Revolver zog, ihm den Lauf desselben vor den Kopf hielt und dabei drohte, ihn und seine Frau sofort zu erschießen, sah er ein, daß er nicht entrinnen könne, und erklärte sich bereit, gehorsam zu sein. Wir gingen also nach der Hütte, wo Mann und Weib zunächst angebunden wurden. Dann betrat ich mit Halef das Innere derselben.
Der Pädär-i-Baharat verhielt sich nicht anders als während der Nacht; kaum sah er uns, so schrie er mich an:
„Wirst du nun endlich meinem Befehl gehorchen und uns freigeben? Wenn du es nicht sofort tust, werdet ihr beide noch heute in die Hölle fahren!“
Ich antwortete gar nicht; dem schnell zornigen Hadschi aber fuhr diese Frechheit so in die Hand, daß er ausholte und, sowohl die ‚Größe der Ausdehnung seiner Würde‘ als auch ‚den ganzen Umfang der Bedeutung seiner Erhabenheit‘ vergessend, dem Perser eine schallende Ohrfeige gab.
„Hund!“ bedrohte er ihn. „Jetzt fühlst du bloß meine Hand; sagst du aber nur noch ein einziges unhöfliches Wort, so bekommst du mein Messer! Nicht für uns, sondern für dich ist die Hölle bestimmt, wobei du fahren, reiten oder laufen kannst, ganz wie es dir beliebt! Einen Vorgeschmack der Freude, die euch dort erwartet, werden wir euch schon jetzt zu kosten geben.“
Der Geschlagene wagte keine Erwiderung, um so deutlicher aber sprachen seine Augen, welche Blitze tödlichen Hasses auf uns sprühten. Halef machte sich ebensowenig daraus wie ich; er zog ihm den Kaschmirshawl von der Hüfte, zerriß ihn in drei Teile und verband den Gefangenen damit die Augen. Dann gingen wir wieder hinaus. Dort angekommen, zog er mich zur Seite, um von dem Sill und seiner Frau nicht gehört zu werden, und fragte:
„Sihdi, willst du wirklich nicht dabei sein, wenn diese Sillan jetzt die Wohltat unserer Dankbarkeit erhalten?“
„Nein.“
„Warum nicht?“
„Das weißt du doch schon von früher her. Es gibt leider Fälle, und der jetzige ist ein solcher, in denen es notwendig ist, Menschen wie widersetzliche Hunde mit Schlägen zu traktieren, aber es ist mir so fürchterlich, sehen zu müssen, daß ein Ebenbild Gottes dieser wenn auch wohldienten, aber dennoch schrecklichen Erniedrigung verfällt, daß ich es zu ermöglichen suche, fernzubleiben. Die Kerls sind gefesselt und müssen ohne Widerstand nehmen, was sie bekommen; auch den Mann aus Mansurijeh hast du vollständig in deiner Gewalt, und so denke ich, daß meine Gegenwart bei der widerlichen Szene nicht notwendig ist.“
„Widerwärtig? Sihdi, du bist in jeder Beziehung ein starker Mann; nur in dieser einen bist du
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