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20 - Im Reiche des silbernen Löwen I

20 - Im Reiche des silbernen Löwen I

Titel: 20 - Im Reiche des silbernen Löwen I Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karl May
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Brieftasche hervor.
    „Die gehört mir“, rief Dschafar. „Die Indianer haben mir alle Taschen ausgeleert. Diese Brieftasche enthält wichtige Notizen, Papiergeld und Anweisungen.“
    „So seht einmal nach, ob alles noch vorhanden ist!“
    Ich gab sie ihm; er untersuchte den Inhalt und fand zu seiner Freude, daß nichts fehlte. Hierauf brachte ich seine Börse und seine Uhr zum Vorscheine. Dann kamen allerlei Dinge, welche seinen Dienern, den Führern und zuletzt den beiden Snuffles abgenommen worden waren. Der Häuptling hatte diesen ganzen Raub für sich behalten, ob für stets oder nur einstweilen, um ihn später zu verteilen, das fragten wir ihn natürlich nicht. Die Blicke, mit denen er uns zusah, verrieten den Grimm, der in ihm kochte. Er konnte sich schließlich nicht länger beherrschen und schrie mich an:
    „Nehmt es immer! Sobald meine Krieger kommen, müßt ihr es doch wieder hergeben!“
    „Deine Krieger werden nicht zu uns kommen“, antwortete ich ihm.
    „Sie kommen! Wenn sie merken, daß ich ihnen nicht folge, kehren sie um.“
    „Pshaw! Sie kommen nicht, sondern ich reite zu ihnen.“
    „Reite hin, so zerreißen sie dich, wie wachsame Hunde einen Coyoten zerfleischen!“
    „Sie werden mir ebensowenig tun wie damals, als ich dein Gefangener war und ihr, so viele hundert Krieger, es doch nicht wagtet, euch an mir zu vergreifen.“
    „Damals hattest du meinem Sohn das Leben geschenkt, und er bat für dich; dadurch wurde das deinige gerettet.“
    „Das ist unwahr. Ja, dein Sohn war mir dankbar; aber das Leben habe ich mir und uns dadurch gerettet, daß ich dich gefangennahm. Wären wir nicht freigegeben worden, so hätte ich dich getötet, und viele deiner Krieger hätten ihr Leben lassen müssen. Du kennst ja die Gewehre, mit denen ich schieße. So ähnlich wie damals ist es heute. Du bist mein Gefangener, und ich werde dir sagen, was du zu tun hast.“
    „Ich gehorche nicht! Ich bin To-kei-chun, der Häuptling der Comanchen, und gehorche keinem Bleichgesichte.“
    „Dann bist du verloren!“
    „Pshaw! Du wirst es doch nicht wagen, mir das Leben zu nehmen!“
    „Rede nicht von einem Wagnisse! Wer kann und will mich hindern, es zu tun?“
    „Du selbst.“
    „Ich?“
    „Ja, du“, nickte er mir mit höhnischem Grinsen zu. „Ich sehe, daß du das nicht glauben willst?“
    „Ich glaube es allerdings nicht.“
    „Dann ist Old Shatterhand, welcher glaubt, wunder welche Berühmtheit er besitzt, kurzsichtig oder gar blind, wenn es seine eigene Person gilt. Bist du denn nicht stolz auf den Ruhm, daß du niemals ohne Not einen Menschen tötest?“
    „Stolz zwar nicht, aber ich freue mich, daß man dies von mir sagt.“
    „So bin ich also sicher vor dir, denn du wirst nicht den Vorwurf auf dich laden, daß du To-kei-chun, den Häuptling der Comanchen, ermordet habest.“
    „Du irrst, denn von einer Ermordung kann hier nicht die Rede sein.“
    „Doch!“
    „Nein! Wenn ich dir eine Kugel gebe, so habe ich dich bestraft, aber nicht ermordet.“
    „Bestraft? Wofür?“
    „Daß du Bleichgesichter fängst und töten willst.“
    „Das ist nicht wahr!“
    „Willst du es etwa leugnen?“
    „Ja.“
    „So lache ich darüber.“
    „Nicht du hast, sondern ich habe zu lachen. Du kannst mich nach den Gesetzen der Prärie nur dann töten, wenn ich Blut vergossen habe. Habe ich das?“
    „Du willst es tun.“
    „Ich will es tun, hahahaha!“ Er stieß ein höhnisches Gelächter aus, dem man es anhörte, wie sicher er darauf rechnete, sich bei mir nicht in Lebensgefahr zu befinden. Dann fuhr er fort: „Was ich will, das gilt hier nichts. Gib Beweise, daß ich es getan habe!“
    „Du hast den Gefangenen mit dem Martertod gedroht. Ich selbst habe es gehört.“
    „Das war eben eine Drohung und du hast zu warten, bis sie ausgeführt worden ist.“
    „Nun gut, wenn du die Gefangenen wirklich nicht töten lassen willst, so gib sie frei!“
    „Das tue ich nicht; sie bleiben meine Gefangenen.“
    „So kommst auch du nicht frei!“
    „Habe ich dich denn schon gebeten, mir die Freiheit zu geben? Behalte mich immerhin!“
    Das vorige höhnische Grinsen trat wieder auf sein Gesicht. Ich sagte im ruhigsten Ton, obwohl er glaubte, mich geärgert zu haben:
    „Du hältst dich jedenfalls für einen außerordentlich pfiffigen Patron und glaubst, mich überlistet zu haben. Ihr behaltet eure weißen Gefangenen, die euch keine Last sind, und ich soll dich behalten, was mir gar nicht möglich ist, da ich dich

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