2008 - komplett
Vergangenheit bedeutet mir kaum etwas.“
Der Priester legte den Kopf schräg. „Glaubt Ihr, Ihr könnt mich zum Narren halten, Sir Rafe?“
Rafe wünschte, er hätte seine Worte umsichtiger gewählt, und wurde rot, doch dann hob er trotzig das Kinn. „Warum sollte mir ihre Vergangenheit etwas bedeuten?“
„Weil Ihr sie liebt.“
„Wie bitte?“, rief er und sah sich rasch um, ob einer der Diener die erschreckende Äußerung des Priesters mitbekommen hatte.
„Ihr liebt sie. Das sehe ich Euren Augen an.“
„Dann solltet Ihr sie von einem Arzt untersuchen lassen, denn Ihr seht etwas völlig Unmögliches.“
„Warum sollte es unmöglich sein?“
„Weil ... nun, weil es eben so ist.“
„Weil Ihr arm seid, und sie ist es nicht.“
„Diese Unterhaltung wird mir jetzt zu töricht. Ich gehe zurück zum Stall“, verkündete Rafe und schob den Stuhl nach hinten, doch schnell legte der Priester eine Hand auf seinen Arm.
„Rafe“, sagte er. Seine Augen leuchteten intensiv in seinem rundlichen Gesicht. „Was ihr in der Vergangenheit auch zugestoßen sein mag, in Katherine DuMonde schlägt trotz allem ein leidenschaftliches, liebevolles Herz, das wissen wir beide. Ich glaube, sie möchte lieben und geliebt werden. Bietet ihr diese Liebe an, Rafe.“
„Sie würde mir ins Gesicht lachen.“
„Warum?“
„Weil ich ihr ansonsten nichts zu bieten habe“, sprach er damit leise die Wahrheit aus. „Ich habe mein Leben vergeudet. Ich lebte immer nur für den Augenblick, ohne einen Gedanken an die Zukunft zu verschwenden.“ Er senkte seine Stimme und gestand dem Geistlichen: „Und wie trostlos sieht diese Zukunft nun aus. Ich habe kein Zuhause, kein Vermögen, keine Familie, und ich besitze nur wenige Habseligkeiten. Lange Zeit ist es mir gelungen, diese Wahrheit sogar vor mir selbst zu verbergen, aber das kann ich nicht länger. Ich besitze nichts, und ich bin nichts.“
„Seht Euch doch um, Rafe“, forderte Pater Coll ihn leise auf und machte eine alles umfassende Geste. „Glaubt Ihr, Katherine braucht materielle Dinge? Glaubt Ihr, sie will Geld oder Macht besitzen? Oder meint Ihr nicht auch, dass sie etwas anderes braucht, etwas Wertvolleres, etwas, das Ihr ihr geben könnt? Sie braucht Liebe, Rafe, und das im gleichen Maß, wie Ihr Respekt braucht. Sie muss in die Lage versetzt werden, wieder vertrauen zu können. Ihr könnt sie überzeugen, dass nicht jeder liebende Mann auch zum Betrüger wird.“
„Ich will weder ihren Respekt noch ihre Liebe“, widersprach Rafe.
„Dann wollt Ihr also lieber für den Rest Eures Lebens allein sein, und gleichzeitig verdammt Ihr sie zu dem gleichen Schicksal. Ist es das, was Ihr wollt?“
Rafes Stuhl kratzte laut über den Steinboden, als er ihn noch ein Stück weiter nach hinten schob.
„Ich weiß, Ihr fürchtet Euch, Rafe, aber geht das Wagnis ein und sagt ihr, was Ihr für sie empfindet. Bietet ihr Eure Liebe an. Sonst könnte es sein, dass Ihr bis ans Ende Eures Lebens bereut, es nicht getan zu haben.“
Rafe erwiderte nichts, sondern verließ mit ausholenden Schritten den Saal, um diesen höchst ungewöhnlichen, unangenehmen Priester zu verlassen und sich in das Unwetter zu begeben. Irgendwann viel später schlich sich Katherine in den Saal. Da sie keinen Schlaf fand, hatte sie beschlossen, herzukommen und sicherzustellen, dass das Feuer im Kamin nicht erlosch. Sonst wäre es am Morgen bitterkalt. Sie spielte auch mit dem Gedanken, eine Kohlenpfanne in der Kapelle aufzustellen.
Natürlich sollte es dort nicht zu warm und gemütlich werden, denn wie sie schon zu Rafe gesagt hatte, suchte man dieses Gebäude auf, um zu beten.
An der untersten Stufe der Steintreppe angekommen, schlang sie die Arme um sich und zögerte, als sie plötzlich Pater Coll auf der Bank neben dem Kamin sitzen sah.
Das Licht der Flammen zuckte hin und her, und ein Stück Holz rutschte nach, wodurch ein kleiner Funkenregen entstand, der einen Moment lang die rundlichen Formen des Mannes deutlich erkennen ließ. Trotz des Knisterns aus dem Kamin musste er Katherine gehört haben, denn er sah sie über die Schulter an und lächelte.
„Ah, Mylady. Was führt Euch zu dieser Stunde in den Saal?“
Katherine kam näher. „Ich wollte Gewissheit haben, dass das Feuer nicht erloschen ist“, sagte sie und deutete auf den Kamin. „Es ist wirklich schon sehr spät, Pater.
Solltet Ihr Euch nicht zur Ruhe begeben?“
„Oh, an Heiligabend bleibe ich oft die ganze Nacht hindurch
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